Synchronguckerinnenauf der Weide

«Warum schauen Kühe immer alle in dieselbe Richtung, wenn sie am Grasen sind?» Diese Frage legt uns Frau K. S. aus M. in Frankreich vor. Montpellier, dies nur z. K., liegt im lieblichen Languedoc. Dort ist der Kuhanteil im Verhältnis zur menschlichen Einwohnerschaft niedriger als hierzulande, dafür wird viel mehr und teils wirklich feiner Wein gekeltert. Aber reden wir über die Milchproduzentinnen: Liebe Frau S. Es stimmt natürlich nicht, dass immer alle Kühe in die gleiche Richtung schauen. Aber tatsächlich ist das Gros einer mampfenden Herde meist ungefähr gleich ausgerichtet.

Tatsächlich könnte man meinen, die Kühe würden – wie wir es gerne in Strassencafés machen – einfach in aller Ruhe «eis zieh», dabei die Passanten studieren und genüsslich über deren Gang, Kleidung und Auftreten ablästern. (Etwa so: Erika, Stern, Bläss, Panthera und Enzian stehen verträumt wiederkäuend am Bergweg. Auftritt schwitzende, schnaufende Joggerin. Enzian: «Die kam hier schon gestern fast nicht hoch. Warum tut sie das jetzt schon wieder?» Panthera: «Vielleicht ist ihr Muni da oben?» Bläss, den Inhalt ihrer vier Mägen sortierend: «Hi, hi.» Enzian: «Ach Kabis, die fühlt sich verfolgt oder so.» Erika: «Und wie die wieder angezogen ist. Müssen die Menschinnen eigentlich immer Pink tragen, wenn sie über die Weide springen?» Bläss: «Hi, hi!» usw.) Ganz lustig, aber leider total realitätsfern.

Die Askforce hat sich zu Recherchezwecken ins Wallis begeben und dort den Eringer Königinnen, den stolzesten Kühen der Schweiz, beim «Stechen» zugeschaut. Und dabei festgestellt, dass die Rindviecher wohl nicht aus niederer Klatschsucht, sondern als friedenserhaltende Massnahme auf der Weide meist nebeneinander stehen. Solange die schwarzen Schönheiten nämlich Seite an Seite herumlungerten, tat sich im Sägemehlring meist nicht viel. Ein Kampf bahnte sich in der Regel erst dann an, wenn sich zwei Kühe plötzlich gegenüberstanden – dann ging es aber ab. Derweil schauten all die Menschen in der Naturarena mehr oder weniger in die gleiche Richtung. Auch hier mit beruhigender Wirkung: Ohne Blickkontakt zum Gegner beliessen es die Ober- bzw. Unterwalliser beim Schmerzgebrüll, wenn eine Kuh aus ihrer wunderschönen Region von einer aus dem tristen andern Kantonsteil in die Flucht geschlagen wurde.

Jetzt bloss nicht aufbrausen, liebe Freundnachbarn! Natürlich lässt sich das Phänomen des coolen Nebeneinanders und hitzigen Vis-à-vis auch in der «Üsserschwiiz» beobachten. Kürzlich etwa hockten in Burgdorf 50 000 bärenstarke Männer aus der ganzen Schweiz um ein paar Hampfelen Sägemehl herum und glotzten friedlich auf den gleichen Punkt. Nur wenn sich zwei plötzlich im Ring gegenüberstanden, ging es ab.

Askforce Nr. 626,
16. September 2013