Hans Kuster ist ratlos. Seine Ratlosigkeit geht auf einen Hinweis zurück, den er kürzlich in seinem Leibblatt entdeckte. Das stand Folgendes: «Der Berner Philosoph Peter Bieri hat ein neues nachdenkliches Buch geschrieben.» Diese Formulierung bringe nun ihn zum Nachdenken, schreibt er. «Hat denn Peter Bieri vorher mal ein altes Buch geschrieben? Und wie genau, bitte, muss ich mir ein nachdenkliches Buch vorstellen?»

Eigentlich sind uns Fragen, die Formulierungen unserer Kolleginnen und Kollegen betreffen, suspekt. Nicht selten handelt es sich dabei um versteckte Aufforderungen, unsere Gspändli durch den semantischen Dreck zu ziehen. Aber darauf lassen wir uns gar nicht erst ein und konzentrieren uns auf die tatsächlich formulierte Frage. Und nicht auf jene, die irgendwo zwischen den Zeilen lauert.

Also, Herr Kuster, zum ersten Teil Ihrer Frage: Wir wissen nicht, ob Peter Bieri schon einmal ein altes Buch geschrieben hat. Aber wir gehen nicht davon aus. Das Schreiben alter Bücher ist eine Praxis, die eher in Politikerkreisen verbreitet ist. Dann nämlich, wenn Volksvertreter ihren (späten) Uniabschluss mit einer neuen wissenschaftlichen Arbeit krönen, die eigentlich eine alte ist. Von Philosophen kennt man ein solches Verhalten nicht. Vielleicht stellen sie sich beim Schreiben alter Bücher aber einfach geschickter an.

Nun aber zum zweiten Teil Ihrer Frage. Wie Sie sich ein nachdenkliches Buch vorzustellen haben, wollen wir Ihnen beim besten Willen nicht vorschreiben. Das wäre unprofessionell. Denn wie Sie ja sicher wissen, haben Bücher eine Seele. Mit unqualifizierten Aussagen, wie zum Beispiel «alle nachdenklichen Bücher sind dick, schwer und vergilbt» oder «es werden nur jene Bücher nachdenklich, die zu lange in einer Bananenschachtel im feuchten Keller lagerten», würden wir in der Bücher­welt viele vor den Kopf stossen. Das möchten wir vermeiden. Zumal wir bei unserer Arbeit auch immer wieder auf das Wohlwollen ebendieser Bücher angewiesen sind. Eine allgemeingültige Aussage sei hier dennoch erlaubt: Ein nachdenkliches Buch ist nicht vordenklich, es hält also eher die konservativen Werte hoch.

Wenn Sie erfahren möchten, worüber Bücher nachdenken, raten wir Ihnen, diese gleich selber zu fragen. Aber werden Sie nicht ungeduldig, wenn Sie nicht sofort Antworten erhalten. Denn auch die «Deutschstunde» macht mal Pause, und «Die Physiker» sind womöglich auf Besuch bei der alten Dame.

 

Askforce Nr. 625,
9. September 2013