Lustiges gegen Ende des Mesozoikums
Die Älteren unter uns erinnern sich vielleicht noch ans Ende des Mesozoikums, zum Beispiel an die Periode zirka 70 Millionen Jahre vor dem Heute. Es war die lustvolle Zeit des wilden Fressens und Gefressenwerdens. Superprädatoren wie die Tyrannosauriden wüteten leidenschaftlich an der Spitze der Nahrungskette herum.
Die Älteren unter uns erinnern sich wohl auch, wie grässlich die Tyrannosauriden herumbrüllten, bevor sie ihre Zähne in den Rohschinken ihres Gegenübers wuchteten. Ihr Verpflegungsverhalten verstiess bereits damals gegen alle guten Tischsitten. Keineswegs wurde à la «nose to tail» alles verzehrt. Zu gross war der Nahrungsüberfluss. Ein damals formuliertes Versprechen regt übrigens noch heute bei vielen Last-Minute-Massentouristen den Speichelfluss an: «All you can eat!»
Den Tyrannosauriden verhalf das Nahrungsüberangebot zu einer sehr komplexen Erfahrung: Sie verspürten permanente Fresslust, hatten aber zuweilen keinen Hunger – keinen Fresswillen. Die prähistorische Schlüsselfrage lautete also: Wie lässt sich Fresslust stillen, ohne sich die Last des Überfressens aufzubürden?
Für die designierten Opfer führte dies zu nicht minder tiefgreifenden Erfahrungen. Der aufgerissene Rexy-Rachen liess sie erschaudern, das Rexy-Fressgeröhre liess sie erzittern; aber ab und an blieben sie verblüffenderweise ungefressen. Es blieb beim «tun als ob». Sie lebten weiter. Die Opfer begriffen dies als erste, lustige Anomalie im grausamen Grundgesetz des gnadenlosen Fressens und Gefressenwerdens.
Die Tyrannosauriden sind allesamt ausgestorben. Hochspannend bleibt, dass ihr schauderhaftes geröhrtes «Chuuumoaaarrrh», das dem Fressen – oder dem Scheinfressen – voranging, weiterklingt, weiterlebt. Die lautmalerische Ausdrucksweise transponierte sich selbst in einen neuen Seinsbereich, nämlich in den Wortschatz gebildeter Römerinnen und sprachsensibler Protofranzosen. Sie benannten mit umor (lat.) oder humeur (altfranz.) unter anderem die Säfte eines Tieres. Das Bildhafte von spritzendem Blut und austretenden Gallensäften, wie wir es von Rexy bei Tisch kennen, blieb also sprachlich gut konserviert.
Wie umor und humeur sich nach und nach zum Begriff Humor im heutigen Sinne wandelten, ist sprachgeschichtlich ausreichend belegt. Übersehen wird aber gerne, dass in heutigem Humor manchmal immer noch die verstörende Erfahrung des beinahe Gefressenwerdens steckt: Etwas gilt dann als lustig, wenn beidseitig keine unverheilbaren Bissspuren zurückbleiben. Und beide Seiten weiterleben.
Es gibt feinere Formen als den frühen Humor aus der Zeit gegen Ende des Mesozoikums. Aber immer noch erinnern uns die mächtigen, überzüchteten Rexy-Oberschenkel daran, woher der derbe Schenkelklopfhumor kommt. Rexys lächerliche Vorderbeinchen spielten bei der Genese von frühem Humor übrigens keine Rolle.
Askforce Nr. 1183
2. Juni 2025