Lieferung an die Bordsteinkante?
Peter S. aus Bern ist verwirrt. Er hat bei einem schwedischen Möbelhaus einen Ivar bestellt. Sie wissen schon, so ein robustes Gestell aus unbehandelter Kiefer, das flexibel und individuell zusammengestellt werden kann. Das Möbelhaus hat Herrn S. angekündigt, Ivar direkt «an die Bordsteinkante» zu liefern. Weil es bei seinem Domizil keine Bordsteine gibt, will er nun von der Askforce wissen: «Sind Bordsteine eine Voraussetzung für die Existenz von Bordsteinkanten und für die Lieferung dorthin?»
Wir glauben aus Ihren Zeilen eine gewisse Sorge herauszulesen, Herr S. Und das wohl nicht zu Unrecht. Sie möchten, dass Ivar gut bei Ihnen ankommt – emotional und physisch. Wird er nun versehentlich an einem Ort abgestellt, der nur so aussieht, als wäre er eine Bordsteinkante, läuft er Gefahr, von der Kehrichtabfuhr als Sperrgut eingestuft zu werden. Und zack. Weg ist er. Ein regelrechter Fehlstart für ein Regal mit Zukunft.
Doch nun zu Ihrer Frage. Um diese zu beantworten, muss erst geklärt werden, was eine Bordsteinkante genau ist. Wir können es einfach machen: Eine Bordsteinkante ist eine Abgrenzung zwischen Trottoir und Strasse. Schon wird es ungleich komplizierter: Die Welt der Kanten ist vielfältig. Es gibt hohe, flache und abgeschrägte. Da ist das barrierefreie Querungsbord, das Leipziger Rundbord und natürlich – der ganze Stolz deutscher Baukunst – das Kasseler Sonderbord: ein eigens entwickelter Bordstein, präzise geschwungen für all die Niederflurbusse dieser Welt. Aber, Sie ahnen es, Herr S.: Es gibt tatsächlich Orte, wo Trottoir und Strasse nahtlos ineinander übergehen. Kein Bordstein weit und breit. Und damit, juristisch betrachtet, auch keine Kante. Nur Fläche. Und Orientierungslosigkeit. Der Lieferdienst bewegt sich in einer metaphysischen Grauzone zwischen Recht, Philosophie und Improvisation – Probleme sind programmiert.
Aber für Ihren Ivar besteht Hoffnung. Sie müssen nur das System überlisten, Herr S. Das ist ganz einfach: Sie fahren erneut in das schwedische Möbelhaus und kaufen sich einen Grejig (Fr. 4.95), ein stapelbares Schuhgestell. Dieses ist klein und handlich und kann auf dem Velo oder im ÖV transportiert werden. Wieder zu Hause, stellen Sie das Möbelstück gut sichtbar vor ihr Domizil und versehen es mit einem Zettel, auf dem steht: «Ich bin auch eine Bordsteinkante.» So schaffen Sie Klarheit im juristischen Nebel und helfen damit dem Lieferdienst und Ivar – und, ganz diskret, auch sich selbst.
Askforce Nr. 1184,
9. Juni 2025