Kugelschreiber gehen flöten

Mit diesem Schreibgerät ist es ein Kreuz: «Ein Anruf hier – eine Notiz da. Und schon wieder fehlt der Kugelschreiber.» Dies schreibt uns Franziska Maria L. aus Thun, natürlich nicht mit dem Kugelschreiber, sondern mit dem Computer. Trotz Auffüllaktionen seien die Schreiberhalter immer leer. «Alle Kollegen schwören, sie würden sich nie an Kugelschreibern vergreifen», heisst es weiter in der Eingabe an die Askforce, die mit der fast schon verzweifelten Frage endet: «Wohin verschwinden dann die Kugelschreiber?»

Zwar sind Kugelschreiber schön anzuschauen, sie sind aber – wir äussern hier einen seit langem gehegten Verdacht ­ regelrechte Luftikusse und Springinsfelde, die sich bei der erstbesten Gelegenheit verdünnisieren. Oder warum meinen Sie, werden Kugelschreiber in Poststellen immer angekettet? Schon das Wort «Kugel» deutet darauf hin, dass wir es hier mit einem Objekt zu tun haben, dass sich mit der Zweidimensionalität eines Notizzettels nie anfreunden wird. Kugelschreiber führen eine vom Menschen weitgehend unabhängige Existenz. Schon beim Schreiben macht sich ihre fatale Tendenz, in die Freiheit davonzurollen, bemerkbar, häufig auch mit ungünstigen Auswirkungen auf das Schriftbild. Wir sollten diesen unzuverlässigen Gesellen, wenn sie sich aus dem Staub machen, jedoch keine Träne nachweinen, sondern einfach zum Bleistift greifen.

Die Treue dieses leider oft geschmähten Schreibwerkzeuges ist nämlich nicht genug zu loben. Bleistifte lieben die Nähe des Menschen, auch deswegen, weil sie in regelmässigen Abständen gespitzt werden müssen. Zudem bestehen sie zu einem schönen Teil aus organischem Material, während Kugelschreiber aus Plastik fabriziert werden. Der Bleistift verschwindet nicht einfach, er wird nicht, wie Kugelschreiber in schlechten Krimis, als Hieb- und Stichwaffe eingesetzt. Im Dienste seines Herrn schrumpft der Stift zum Stummel und legt sich zum Sterben auf den Boden eines Schreiberhalters.

Askforce Nr. 274,
3. Juli 2006