¿Ist es an der Zeit?
Es gibt Anliegen, die so überraschend sind, dass sie sogar der fragengestählten Askforce erst einmal die Sprache verschlagen. Exemplarisch die Eingabe von Rainer S. aus Hinterkappelen: «¿Wäre es nicht an der Zeit, wie im Spanischen auch im Deutschen eine Frage mit ¿ einzuleiten?» Ratlos neigten wir uns über den Zettel. Umgekehrte Fragezeichen? Wieso denn bloss? Will sich der Mann über uns lustig machen?
Die Frage blieb liegen. Dann flatterte sie beim Frühlingsputz aus dem Reduit. Ein leicht depressives Askforce-Mitglied hob sie auf, las sie nochmal durch und bemerkte dann verstimmt, es gebe zum Glück noch Menschen, die offenbar keine grossen Sorgen plagen.
Unser Sonnenscheinchen hingegen schlug vor, dem guten Mann doch einfach eine Antwort voller Sonderzeichen zu schicken, so etwas sei doch noch lustig. Es setzte sich hin und bastelte munter los: «Ĺïbêŗ Hæřŕ Š. …»
Doch während unser Gspänli noch motiviert nach Einsatzmöglichkeiten für Cedille, Tilde und Ø fahndete, geriet unser Koffeinfixer ins Grübeln: «Herr S.», brummte er hinter der dampfenden Tasse hervor, «fragt eigentlich gar nicht, ob wir das ¿ einführen möchten, sondern, ob es nicht an der Zeit dafür wäre.»
Die Diskussion war lanciert: «Wann ist die Zeit für verkehrte Satzzeichen gekommen?» – «Müsste dann nicht auch das Ausrufezeichen gespiegelt werden?» –«Und das Semikolon, wer denkt an das arme Semikolon?» – «Zum Glück wäre das dem Doppelpunkt egal.» Dann wurde der Ton bissiger: «Muss, wenn die Welt kopfsteht, auch das Fragezeichen mitmachen?» Und: «Sind wir schon so mimimimi, dass sogar Fragesätze eine Triggerwarnung brauchen?»
Wir verstummten.
Die Uhr über der Kaffeemaschine tickte laut, wie sie es immer tut, wenn sich der Sekundenzeiger nach oben bewegt. Es war exakt 16 Uhr, 59 Minuten und 52 Sekunden. 8 Sekunden vor Feierabend. Zu spät für eine Sprachreform, Herr S.
Askforce Nr. 1137
29. Juli 2024