Enkeltricks

Statt einer Antwort liefern wir heute Regieanweisungen. Wir tun dies in der Hoffnung, das Leben von Adelheid-Anastasia Z. möge etwas spannender werden. Die Dame, die bereits auf gut achtzig Jahre Lebenserfahrung zurückblickt, ist nämlich geplagt von der Ereignislosigkeit ihres bestens abgesicherten Daseins:
Sie möchte endlich einmal «von Enkeltrickbetrügern kontaktiert werden».

Adelheid-Anastasias geheimster Wunsch: Sie möchte «voller Entsetzen» ihr ganzes Geld von der Bank abheben und «in einer braunen Papiertüte auf der Strasse einem jungen, netten Mann übergeben». Dann möchte sie genüsslich zuschauen, wie  sich die von ihr zuvor informierte Polizei den adretten Betrüger schnappt. Sie möchte also einen Enkeltrickbetrüger tricksen und meint: «Das wäre doch eine gute Tat.»

Eine gute Tat? Wir lassen die moralische Frage offen, ob sie selber zur Betrügerin würde, betröge sie auf diese Weise einen Betrüger. Wir fokussieren uns besser auf nutzwertige Tipps zu Hebung des Glücks von Adelheid-Anastasia. Doch dazu müssen wir recht stark ins Private vorstossen: Die Askforce schliesst aus ihrer länglich geratenen Zuschrift, dass die Dame gar keine Enkelinnen und Enkel hat!

Im Ernst, werte Frau Z., ohne Enkel sinken Ihre Chancen, von Enkeltrickbetrügern kontaktiert zu werden, gegen null. Legen Sie sich also rasch Enkel zu, in Ihrem Fall: Leihenkel. Oder erfinden Sie welche: Trickenkel. Dann schreiben Sie – vielleicht auf Facebook und für alle einsehbar – Ihren geliehenen oder erfundenen Nachfahren: «Warum, Stephanie, meldest du dich nicht?» – «Tobias, wie geht es dir auf der grossen Weltreise?» – «Clarissa, brauchst du noch einen Zustupf ans Studium?» – «Und ihr, Sebastian und Claudia, ruft doch endlich mal zurück auf 031 352 xx xx!»

Bleibt trotz Trickenkel der Erfolg aus, führt nichts am Trickenkeltrickbetrüger vorbei: Sie bieten also einen talentierten, sportlichen Schauspielstudenten auf und studieren mit ihm die ganze Übergabeszene sorgsam ein (die Polizei können Sie bei diesem Szenario gut aussen vor lassen). Sie proben auch, den Schönling mit einem sauberen, theatralischen Handkantenschlag nieder­zustrecken und ihm die volle Papiertüte wieder zu entreissen. Für den Moment, wo er sichtlich benommen davonrennt, üben Sie zur Untertitelung der Szene noch eine Abfolge derber Kraftausdrücke ein. Und: Vergessen Sie nicht, ihm den Stinkefinger zu zeigen!

Eine «gute Tat» wäre auch das nicht, aber vielleicht täte es Ihnen gut:
All Ihre grantigen Nachbarinnen, die dem Geschehen – sich bleich an die Gardinen krallend – folgten, würden Ihnen künftig voller Ehrfurcht begegnen. Nie mehr müssten Sie damit rechnen, getadelt zu werden, sollten Sie die Waschküche zu spät freigeben. Oder das Altpapier nicht schön genug bündeln. Apropos Altpapier: Die leere braune Papiertüte schnüren Sie demonstrativ und sauber gefaltet zuoberst aufs Bündel. – So, Frau Z., hören wir sagen, entstehen übrigens Heldinnensagen.

Askforce Nr. 1133
1. Juli 2024