Die Anzieh-Frage

Ein Herr B. aus Bern, von dem wir nicht wissen, wie reichhaltig seine Garderobe ist, hat über den Einkleidungsprozess nachgedacht: «Brauchen grosse Menschen mehr Zeit, um sich anzuziehen?» So lautet seine Frage an die Askforce.

Bevor wir uns an die «Krone der Schöpfung» wagen, wenden wir uns der Tierwelt zu. Es ist offensichtlich, dass eine Giraffe, die sich einen Rollkragenpullover überstreift, für das Abrollen der Textilie mehr Zeit benötigt als ein Tapir. Dass die Anatomie matchentscheidend ist, zeigt auch der Vergleich zwischen einer Ameise und einem Tausendfüsser. Beim Sockenanziehen gerät der viel grössere Tausendfüsser, auch wenn er vielleicht nur hundert und nicht tausend Beine aufweist, heillos ins Hintertreffen. Die Askforce ist vorsichtig genug, um die Erkenntnisse aus der Tierwelt nicht eins zu eins zu übertragen. Denn die Menschen stehen sich – bei aller Verschiedenheit – doch näher als Giraffe und Tapir.

Sprichwörtlich für Gross und Klein im Menschenreich stehen David und Goliath. Aus der Bibel ist zu schliessen, dass Goliath wohl länger brauchte, um sich für den Kampf bereit zu machen, als David. Grund dafür ist aber eher die Ausrüstung als die Grösse, die mit sechs Ellen und einer Spanne angegeben wird, was mehr als drei Metern entspräche.

Goliath, der Vorkämpfer der Philister, trug einen Helm aus Bronze, einen Schuppenpanzer aus Bronze, Beinschienen ebenfalls aus Bronze, einen riesigen Speer mit einer eisernen Spitze und ein Schwert. Zusammen mit der Unterwäsche muss die Sache gedauert haben. David dagegen hatte wohl nur eine Art Tunika über- und Sandalen angezogen. Sodann noch hurtig die Schleuder, fünf Steine und den Hirtenstab behändigt. Allerdings ist nicht zu vergessen: Vorgängig hatte Saul ihm einen Panzer und einen Helm übergestülpt. David warf die Sachen weg, weil er als Hirte so nicht kämpfen konnte. So ein Garderobenwechsel ist nicht zu unterschätzen.

Im Allgemeinen betragen die Unterschiede heute zwischen kleinen und grossen Menschen lediglich zwanzig bis vierzig Zentimeter. Der Zeitverlust für grosse Menschen etwa beim Hosenanziehen dürfte also gering sein. Beim Anziehen eines Hutes oder einer Kappe verschwindet der Unterschied sowieso. Menschen mit einem grossen «Gring» haben keinen Nachteil zu gewärtigen.

In erster Linie kommt es also auf die Art der Kleider an. Und darauf, wie entscheidungsfreudig man ist. Und eben, wie wir eingangs auf Herrn B.s Frage bemerkt haben, auf den Füllstand der Garderobe, die Behängung des Kleiderständers. Im Übrigen haben sehr grosse Menschen meist einen strategischen Vorteil: Da es kaum Kleider in Übergrösse gibt, ist ihre Auswahl beschränkt. Sie müssen nehmen, was da ist.

Askforce Nr. 1185,
16. Juni 2025