Am Po der Kalypse
Früher war der Mond Quelle der Romantik. Heute sehen ihn viele prosaisch als himmlische Rohstoffquelle für irdische Bedürfnisse. In Mondminen sollen dereinst Helium-3, Titan, Aluminium und Silizium abgebaut werden. Hans Sch. hat diesen Bergbaugedanken weitergesponnen und fragt die Askforce: «Was hiesse es zu Ende gedacht, wenn man den Mond – mehr oder weniger vollständig – auf die Erde holen würde?» Dabei sei er «durchaus an einer astrophysikalisch korrekten Antwort interessiert». Nun denn, lieber Frager, würden wir den Mond auf die Erde holen, dann wäre unsere Welt – streng wissenschaftlich gesprochen – am Po der Kalypse.
Um es anschaulicher zu machen: Stellen Sie sich einen Weltuntergangs-Hollywood-Blockbuster vor, bei dem Roland Emmerich Regie führt. Das Drehbuch hat der Evangelist Johannes persönlich geschrieben, der Altmeister des Genres. Doch bevor es dunkel wird im Welttheater, etwas Physik. Die Erde und der Mond sind ein kosmisches Tanzpaar, seit Äonen in einem perfekt abgestimmten Tango der Schwer- und Fliehkraft miteinander verbunden. Die Erde führt, der Mond bringt die Meere in Wallung.
Wenn nun der Mond aus seiner Umlaufbahn geholt und Richtung Erde befördert würde (die technischen Details wie Raketentriebwerke, Clint Eastwood und Zendaya ersparen wir Ihnen an dieser Stelle), würden die Gezeitenkräfte des Mondes immer stärker. Gigantische Flutwellen überrollten die Erde, und wenn sie sich bei Ebbe zurückzögen, wäre die Erde wüst und leer. In den Stunden der Ebbe zögen verzweifelte Überlebende umher, um Nahrung zu suchen, bevor die nächste, noch höhere Flut käme. Die Gezeitenkräfte würden endlich so stark, dass die Erdplatten selbst sich verbögen. Unter Ächzen und Stöhnen bräche die geschundene Erdkruste auf und gigantische Vulkane schössen Lava in den rauchschwarzen Himmel, an dem die Sonne als trübe Funzel stünde.
Spätestens jetzt würde Elon Musk seine Rakete besteigen, um mit seinem Buddy Donald auf dem Mars eine neue Zivilisation aufzubauen. Und der Mond? Unter der inzwischen gewaltigen Anziehungskraft der Erde zerbärste unser Trabant in Abermillionen Teile, die als Meteoritenschauer in der Erdatmosphäre verglühten. Ein himmlisches Spektakel für die wenigen Überlebenden, die aus ihren Luftschutzkellern im mittelländischen Eigenheim kröchen, wo sie das Inferno bei Fendant, Fertigfondue und Differenzler überstanden hätten. Nur um festzustellen, dass der kommunale Abfallkalender keinen Entsorgungstag für die Trümmer der Welt vorsieht.
Kein Happy End also, übrigens auch nicht für Elon und Donald, aber das war ja klar.
Belassen wir den Mond also lieber dort, wo er hingehört. Er selbst macht übrigens keine Anstalten, sich uns anzunähern. Im Gegenteil. Er entfernt sich jedes Jahr bis zu vier Zentimeter, mit auf langer Sicht ebenfalls katastrophalen Folgen. Kurzfristig trifft den Mond aber keine Schuld. Apokalypse? Das können wir Mondkälber schon selber.
Askforce Nr. 1162
20. Januar 2025