Zu den unerschütterlichsten Glaubensgemeinschaften der Schweiz zählt die Gemeinde rund um die St. Galler Bratwurst: Ihr Glaube, die milchig-bleiche, von strengen Rezept­vorschriften dominierte und ohne Senf servierte Ostschweizer Brodworscht sei die allerbeste aller Bratwürste, ist fest und beständig. Aber Herr Klaus aus Wil (SG) ist in Sorge über neue wurstreligiöse Entwicklungen und sucht deshalb Rat bei der Askforce. 

Die Sortenorganisation St. Galler Bratwurst will nämlich die Kantonshauptstadt zum «Mekka der Bratwurst» machen. Im Wurstheiligtum sollen «Sensorik- und Bratwurst­kurse» stattfinden. Die Klaus’sche Frage dazu: «Ein Mekka der Brat­wurst: Ist das der Beginn der Islamisierung der Ostschweiz?»

Nein, es ist nicht der Beginn einer Entwicklung, sondern vermutlich deren Ende. Wir erinnern uns: 2009 stimmten im Kanton St. Gallen schwache 34 Prozent islamtolerant gegen die Minarettverbotsinitiative. 2021 erstarkte diese Minderheit auf 47 Prozent: So viele stimmten gegen die Burkaverbotsinitiative. Und nun keimte in diesem aufge­schlossenen Milieu die Bratwurst-Mekka-Initiative: Im Falle einer Abstimmung wäre sicher mit 80 Prozent mekkafreundlichen Stimmen zu rechnen.

Trotzdem steht das «Mekka der Bratwurst» noch vor gewaltigen Herausforderungen.
Im saudi-arabischen Mekka dürfen ja Nichtmuslime den Heiligen Bezirk nicht betre­ten. Will das gallusstädtische Mekka daneben nicht als kraftlose Kopie verblassen, wird ein Zutritts­verbot für Nichtbrodworschtgläubige wohl unumgänglich. Ange­lehnt an bestehen­de gute Schweizer Lösungen – dem Rayonverbot und dem Stadion­verbot – müsste sich da aber aus Sicht der Askforce eine Lösung finden lassen.

Knifflig ist es ferner, das geltende Bratwurstrezept in Einklang mit Sure 6, Vers 145, zu bringen, jener Koranstelle also, die Schweinefleisch als schmutzig erklärt. Aber mit etwas gesundem Opportunismus müsste es gelingen, die Rezeptur des seit 1438 verbürgten Wurstprodukts so zu optimieren, dass eine schweinefleischfreie und auch sonst für alle, alle, alle taugliche Neutralwurst entstünde, eine Wurst ganz ohne Ecken und Kanten.

Der Mekka-Status St. Gallens wäre so kaum noch zu verhindern. Im Stammgebiet der Askforce würde man sich wohl weiterhin mit der YB-Bratwurst zufriedengeben. Mit viel Senf.

Askforce Nr. 1021
23. Mai 2022