Verkehrt herum im Theater

Ein Strassentheater in zwei Akten / zweiter Akt

In der Gemeinde Köniz darf ein geplantes Haus nicht gebaut werden, weil dessen Eingang nicht zur vielbefahrenen Hauptstrasse hin projektiert wurde, sondern ausgerichtet auf das auf der anderen Hausseite gelegene ruhige Quartiersträsschen. Die Könizer Behörde verweigerte die Baubewilligung und wählte fürs Erklären ihres Entscheids den didaktisch geschickten Weg des eingängigen Vergleichs. Kehre ein Haus dem Verkehr den Rücken zu, sei das «ungefähr das Gleiche, wie wenn im Theater – mitten drin – ein Besucher verkehrt herum sitzen würde»; «da würde man sich ja auch wundern». Ein Thomas S. aus Niederscherli will deshalb wissen: «Auf welche Theatererfahrung der Könizer Behörde deutet das hin?»

Die Askforce weiss nun nicht, was bemühter ist: die Begründung der Behörde oder die Frage des Herrn aus Scherli. Beide Seiten könnten ihr Theaterwissen vertiefen, ohne deswegen die Askforce aus ihrer Siesta aufzuschrecken. Etwa so: 1. Sie formu­lieren die Fragen. 2. Sie richten diese höflich an eine Auskunftei, die von Theater viel versteht. 3. Sie freuen sich über deren Antwort. – Unser didaktischer Ansatz ist es, dies zu Illustrationszwecken kurz in echt durchzuspielen – uns also vertrauensvoll an die Medienstelle von Bühnen Bern, Nägeligasse 1, zu wenden. Der Schriftwechsel:

Fragen der Askforce: «1. Dürfte man im Stadttheater, wenn man dies wollte, verkehrt herum sitzen? 2. Wäre das fallweise allenfalls sogar erwünscht? 3. Und ist das Verkehrt-herumsitzen auf dem vorhandenen Gestühl für Theaterbesucher:innen anatomisch betrachtet unbedenklich?»

Antworten von Bühnen Bern: «1. Sofern dadurch keine Störung für die umsitzenden Gäste entsteht – das gebietet der Anstand – , ist es jeder Person selbst überlassen, die für sie passende Sitzposition in unserem Theater zu wählen. 2. Da wir ein künstlerischer Betrieb sind, ist es nicht ausgeschlossen, dass im Rahmen einer Vorstellung verschiedene Sitz-positionen erwünscht sind – bei unseren Sitzkissenkonzerten laden wir beispielsweise zum Sitzen auf Sitzkissen ein, bei Krabbelkonzerten steht gar das Krabbeln im Mittelpunkt! 3. Anatomisch betrachtet sind unsere Sitze natürlich auf eine bestimmte – die «übliche» – Sitzposition hin ausgerichtet. Je nach körperlicher Verfasstheit und Eigenheiten kann aber eine «verkehrte» Sitzposition geradezu förderlich sein. Im Zweifel raten wir zum Probesitzen bei kostenlosen Veranstaltungen wie unseren Opernmatineen.»

Das Stadttheater wäre allenfalls gar willens, einen einzelnen Sitzplatz für eine ein­zelne Vorstellung umgekehrt zu montieren, wenn so dem Bedürfnis des Verkehrt-im-Theater-Sitzens Rechnung getragen werden könnte: «Wir machen alles möglich.»

Vielleicht bräuchte es zwei verkehrte Sitze. Einen für den zuständigen Gemeinderat, einen für den Thomas. Die beiden kämen derart verkehrt sicher flott ins Gespräch.

Askforce Nr. 1188
30. Juni 2025