Gibt es ein Rechtauf Apéro?
Die Frage hat im Kreise der Askforce länger gegärt, wurde sie doch bereits im vergangenen Juli eingereicht. Sie nimmt Bezug auf zwei Vorstösse im Berner Stadtparlament, wo SVP-Vertretern sauer aufgestossen ist, dass es bei städtischen Apéros zumeist vegetarische Häppchen zu knabbern gebe. Beziehungsweise: Die pflanzlichen Apéros haben sie gebläht, um nicht zu sagen – so richtig aufgeblasen. Bis es sie verjagt hat. Sie forderten unverzüglich Fleisch an städtischen Apéros!
Über Wochen sinnierte die Askforce, ob sie zum Äussersten schreiten und ihrer Leserschaft eine eingehende Betrachtung über das Innere von Volksvertretern nach gehabtem Apéro liefern soll: vom Gurgeln und Blöterlen im Magen über das Herbar der Darmflora bis zum komplizierten Weg, den die freigesetzten Methanbläschen vom Dickdarm bis ins Gehirn von SVP-Vertretern wählen, wo sie einen notorischen Vorstossdrang verursachen und schliesslich in Ratsdebatten unkontrolliert freigesetzt werden.
Die Askforce kam zum Schluss, dies sei nicht zumutbar. Deshalb beantwortet sie nun die Frage von Matthias B. aus dem Aaretal, so wie sie eingetroffen ist: «Gibt es überhaupt ein Anrecht auf Apéro?» Selbst wenn bei den beiden SVP-Politikern Politik primär durch den Magen gehe, hätten sie ja die Wahlfreiheit: «Nämlich zuzulangen oder es bleiben zu lassen.»
An sich ist es die Askforce leid, simples lexikalisches Wissen zu repetieren. Aber tun wir es trotzdem: «Ein Apéro ist ein gesellschaftlicher Brauch in Frankreich, der Schweiz und Luxemburg sowie teils auch im südbadischen Raum.» Eine überwältigende Mehrheit der Weltbevölkerung muss folglich auf jeglichen Apéro verzichten, sogar auf rein vegetarischen. Die Frage von Herrn F. lässt sich demnach eindeutig beantworten: Nein, es gibt kein Recht auf Apéro.
Bloss fragt sich: Wäre es klug, auf Apéros zu verzichten? Hier liefert die Denkfabrik der Schweizer Grosskonzerne, Avenir Suisse, eine verblüffende Antwort. Einer ihrer Vordenker, Daniel Müller-Jentsch, hat bereits vor zehn Jahren wissenschaftlich einwandfrei festgehalten: «Die Apérokultur lebt vom Spannungsverhältnis zwischen professioneller und persönlicher Interaktion.» Davon leitete der Doktor der Volkswirtschaftslehre ab, dass die entwickelte Apérokultur der Schweiz zur effizienten Netzwerkbildung beitrage: «Sie stärkt nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern ist auch ein Standortfaktor für eine moderne, global vernetzte Wissensgesellschaft.» Sie sei mithin ein «Wettbewerbsvorteil».
Wenn die beiden SVP-Politiker mangels Rohschinken, Sülzli und Lyoner darauf verzichten wollen, ist das der Askforce wurst.
Askforce Nr. 1109
22. Januar 2024