Endlager – die Fortsetzung
In Ausgabe Nr. 1198 wollte Herr A. Müller von uns wissen, mit welchem Namen für das Atomendlager in Nördlich Lägern (ZH) er jene Finnlandreise gewinnen könnte, die die Nagra als Preis für die beste Namenseingebung ausgeschrieben hat. Doch die Askforce ging nicht auf Müllers Anliegen ein: «Nein, wir übernehmen hier nicht», lautete die schnöde Antwort. Per excusé schluderte sie lediglich ein paar Kalauer hin, zum Beispiel: «Strahladiesli».
Jetzt zeigt sich: Atommüll wird man so schnell nicht los. Dass die Askforce, notabene die Fachinstanz für alles, just bei einem Thema wortlos im Abklingbecken abtaucht, das uns noch eine Million Jahre beschäftigen wird, kam nicht gut an. Auch bei A. Müller nicht: «Eine Million Jahre – das ist doch exakt die Grössenordnung, in der die Askforce denkt!» Es war ein Weckruf. Und so ging die Askforce über die Bücher – und kehrte zurück in die Welt von vor einer Million Jahren.
Es herrscht Eiszeit, draussen ist es kalt. Ein Grüpplein Menschen des Typs Homo erectus hat sich beim Einnachten um ein Feuerchen versammelt. Man grunzt sich die letzten Anekdoten der Jagd auf das Wollhaarmammut zu, dessen Knochen gerade mit selbst geformten Faustkeilen zerkleinert werden – das Knochenmark ist eine Delikatesse! Ein bisschen erinnert die Szene an eine Jahresversammlung der Askforce: sehr entspannt und zufrieden mit den eigenen gedanklichen Höhenflügen. Namentlich die Erfindung des Faustkeils gibt in der Runde anerkennend zu schnalzen. Man ist sich gewiss, der Faustkeil wird die Geschichte der Menschheit in der nächsten Million Jahre prägen: als Küchengerät, Waffe, nach der Erfindung des Rads dereinst auch als praktische Wegfahrsperre. Und noch später als Ausstellungsobjekt in historischen Museen.
Keine Frage, die Askforce heidelbergensis, wie wir unsere Vorläuferorganisation nennen wollen, ist sich ihrer Verantwortung bewusst: Für den Faustkeil will ein ganz besonderer Name gefunden werden. Eine Homo-erectus-Dame schlägt «Tok» vor, das sei kurz und eingängig. Doch der Silberrücken, er sitzt leicht erhöht auf dem Mammutschädel, widerspricht: «Tok» sei zu warm in der Klangfarbe, es fehle das abschreckende Element. «Zack» wäre besser, posaunt er, «Tok» sei doof. Das nervt eine zweite Heidelbergensiserin: Immer setze er auf Lautstärke statt auf Argumente. Und ihr Sitznachbar wirft knurrend ein, er – der Silberrücken – wäre ja selbst zu doof gewesen, den Faustkeil zu erfinden. Er solle die Schnauze halten! Er habe einen Mund, keine Schnauze, bellt darauf der Silberrücken zurück: «Meine Sippe geht schon seit Jahrhunderten auf zwei Beinen – nicht wie deine Herde, du Primitivo!»
Und so schaukelt sich der Streit hoch. Brennende Scheite fliegen hin und her, und plötzlich, man weiss nicht woher, hat der jüngere Heidelbergensiser einen Faustkeil in der Hand und lässt ihn krachend auf den Schädel des Silberrückens niederfahren. Dieser zerbirst mit einem schrecklichen «Thock—krrratschpflatsch».
Die Askforce findet, Thock—krrratschpflatsch wäre ein passender Name für ein Atomendlager.
Askforce Nr. 1201,
29. September 2025