Liselotte B. aus dem Gürbetal versichert uns, sie habe ausgesprochen liebenswürdige Enkel. Nur ungezogen seien die Bengel halt, vermutlich wegen der largen Erziehungsgrundsätze der Moderne. Am Wochenende habe sie übrigens endlich den Weihnachtsbaum der Grüngutabfuhr übergeben. Angesichts der freundlichen bärtigen Mannen der Abfuhr habe sie sich spontan gefragt, ob die heutige Zeit nicht doch mehr Samichlaustugenden nötig habe: «Bräuchten wir nicht mehr jener Werte, die der Samichlaus verkörpert? Bräuchten wir nicht mehr von dieser guten Mischung von strenger Autorität und Menschenliebe?»

Wir haben natürlich grössten Respekt vor der Lebenserfahrung von Liselotte B. und wagen ihr nicht auf Anhieb zu widersprechen. Aus gewöhnlich ungewöhnlich gut unterrichteter Quelle wissen wir aber, dass vier von fünf Samichläusen unter dem so genannten «Santa-Claus-Revenge-Syndrom» leiden, einer Art zwanghaftem Rachegefühl für die während der eigenen Kindheit erlittenen Machtdemonstrationen der Erwachsenen. Sehr problematisch ist dieses Syndrom, wenn sich die betroffenen Chläuse dessen nicht bewusst sind und vordergründig Gutes tun wollen. So werden jene Samichlaus-Katastrophen wie die Folgende erklärbar:

Kinderbrief an S.: «Samichlaus, wann kommt endlich das Feuerwehrauto, das ich mir schon so lange wünsche?»

Antwortbrief von S.: «Liebes Kind, nimm Vaters Feuerzeug und probiers mit den Gardinen – oder gleich mit dem Weihnachtsbaum. Ganz sicher kommt dann nicht nur ein Feuerwehrauto, sondern gleich alle, die in der Nähe sind.»

Sie sehen, Frau Liselotte, solche aus Kindersicht durchaus einleuchtenden, einfühlsamem und zugleich autoritären Anweisungen zeitigen zwar in der Tat sehr eindrückliche Ergebnisse, aber nicht unbedingt jene, die Sie sich vorstellen. Sie leisten unter Umständen einen wichtigeren Beitrag, wenn Sie nächstes Jahr den dürren Weihnachtsbaum nicht erst Mitte Januar entsorgen: Diese sind nämlich besonders feuergefährlich.

Askforce Nr. 252
16. Januar 2006