Berns fettleibiges Meerschwein
Hunderte von Bernerinnen und Bernern müssen wegen der Tourismusförderungs-aktion «Sessiun Hotel Waldhaus» ins Internet ausweichen. Sie können das Wirken unserer Volksvertreterinnen und Volksvertreter nur noch dort verfolgen. Technisch funktioniert das gut, führt aber im Falle Berns zu emotionalen Komplikationen.
Das Kantonswappen, mit dem bernische Abgesandte im Internet als solche gekennzeichnet werden, zeigt nämlich ein Tier, das dem Ursus Arctor verstörend wenig gleicht. Der Berner Herbert K. will darum wissen: «Was ist das für ein Tier? Warum wird Bern mit dieser Kreatur beleidigt?» In der Tat verweist Herbert K. auf eine ungelöste zoologisch-heraldische Frage. Die Askforce ist in der seltenen Situation, dass sie angesichts des noch nicht abgeschlossenen Expertenstreits keine definitive Antwort geben kann. Immerhin kennt sie den Zwischenstand der Forschung.
Es gibt starke Indizien, dass es sich um ein an Adipositas leidendes Meerschweinchen handeln dürfte. Eine starke Heraldikerinnenfraktion tippt hingegen eher auf einen Rauhhaardackel. Für ein Krokodil, dies eine eher seltene Lesart, fehlt dem Tier aber die nötige Länge. Die von linksfundamentalen Wissenschaftlern bevorzugte Deutung, es handle sich um eine Maulwurfsgrille, ist kaum haltbar. Allein schon die Anzahl der Beine stimmt nicht. Gleiches gilt für den Geotrupes stercorarius, den gemeinen Mistkäfer.
Eine Beleidigung Berns liegt aber nicht vor. Es ist davon auszugehen, dass der Internet-Heraldiker das Wappen bloss updaten und der heutigen statt der historischen Stärke Berns anpassen wollte. Was dem neuen Wappentier nämlich fehlt, ist der für Braunbären typische, aus kräftigen Muskeln gebildete Höcker. Diese Muskeln verleihen dem Bären die Kraft, die er braucht, um mit seinen Pranken voll zuzuschlagen. Wo ist diese Kraft noch ablesbar? Das Schloss Chillon und all die Ländereien hat Bern längst schon verloren, in der Steuerstatistik dümpelt Bern im Mittelfeld, desgleichen YB und der SCB. So gesehen: Für ein adipositäres Kampfmeerschweinchen wär das ein Erfolg, für einen Bären aber eine Schlappe.
Askforce Nr. 287,
2. Oktober 2006