Wenn Flöten flöten gehen
Martin G. aus Bern stellt der Askforce eine «Schicksalsfrage», wie er schreibt: «Meine Eimer sind im Eimer. Meine Flöten gingen flöten. Was droht mir als Nächstes?»
Wie alles Schicksalhafte, lieber Herr G., ist die Antwort auf diese Frage vorbestimmt. Es ist daher ziemlich langweilig, sie niederzuschreiben. Gerne hätten wir Sie deshalb zum Orakel nach Delphi geschickt, zu Baba Vanga nach Bulgarien. Oder Ihnen geraten, Mike Shiva im Fernsehen anzurufen.
Doch bekanntermassen ist es gekommen, wie es kommen musste: Die Hellsehenden sind ausgestorben. Es ist nichts übrig von ihnen als antike Ruinen, Heiligenbildchen und DVD-Kassetten. Verschwunden sind sie aus dem ebenso naheliegenden wie vorhersehbaren Grund: Ist die Zukunft einmal vorausgesagt, ist alles gesagt. Insofern waren schon Baba Vanga und Mike Shiva blosse Echokammern des Orakels von Delphi.
Sie lebten einzig davon, dass gewisse Aspekte der Zukunft zwischenzeitlich vergessen gingen oder aber den von ihnen betroffenen Personen einfach nicht bekannt waren.
In der Tradition von Baba Vanga und Mike Shiva liefert die Askforce deshalb hier nun die längst bekannte Antwort auf die Schicksalsfrage von Herrn G.
Zunächst zu den Eimern: Sind Eimer im Eimer, sind sie gestapelt. Höbe Herr G. seine Eimer aus dem untersten Eimer, wären sie nicht mehr im Eimer. Das hätte ihm freilich jeder Kesselflicker sagen können.
Nun zu den Flöten: Flöten sind zum Flöten da. Und meist ist es besser, wenn Flöten flöten gehen als flöten kommen. Dann hört man sie nicht.
Und schliesslich zum dritten, zukunftsträchtigen Teil der Frage: Was «droht» Herrn G.?, wie er meint. Hier kommen wir auf die flöten gehenden Flöten zurück. Herr G. bedient sich damit einer Redewendung, die aus dem Rotwelschen stammt. Das ist eine Gaunersprache, die schon 1494 im «Narrenschiff» von Sebastian Brant erwähnt wurde – das erfolgreichste deutschsprachige Buch vor der Reformation, wie uns das das wikipedische Internet lehrt.
Darin wird in über hundert Kapiteln die menschliche Unvernunft persifliert: Ein Heiliger St. Grobian tritt auf, der Narrenbrei wird gerührt und spöttisch vor dem Weltende gewarnt – um all die Narren im letzten Kapitel der Vernunft gegenüberzustellen. Das Buch soll bei den Frühhumanisten des Oberrheins Begeisterungsstürme ausgelöst haben.
Was heisst das nun für Ihre Zukunft, Herr G.? Freuen Sie sich! In Ihrer Welt, wo Flöten flöten gehen, steht der Humanismus erst noch bevor und ist nicht schon vorbei, wie man heutzutage denken könnte. Es droht Ihnen also nichts, lieber Herr G., im Gegenteil: Es blüht Ihnen was!
Askforce Nr. 1192
28. Juli 2025