Laubbläser ausrotten?

Der heute in Zürich wohnhafte Berner Dimitri K. ist immer noch tief beeindruckt. Vor vier Wochen hat nämlich der Stadtzürcher Souverän in aller Klarheit benzin­betriebene Laubbläser verboten. Diese Radikalität geht Dimitri K. bis heute echt nahe: «Wie konnte es nur zu dieser Ausrottungsaktion kommen?»

Wir spüren in der Art seiner Frage nicht nur eine gewisse Empathie gegenüber dem Laubbläser an und für sich. Wir glauben auch feststellen zu dürfen, dass er diese handlichen Dinger nicht als «Offroader unter den Gartengeräten» verdammt, sondern sie als eine Erfindung begreift, die uns auf spielerische Art und mithilfe des Herbstlaubs das Wesen der Vergänglichkeit erklärt: ein natürliches Kontinuum von Knospen bilden, sich entfalten, ergrünen, welken, zu Boden sinken und – phuuh! – weggeblasen werden. Es sind Menschen wie Dimitri K., die zudem erkennen, dass der Laubbläser, und nur er, es möglich macht, fröhlich hochgewirbelte Kleinstteile der uns umgebenden Natur zu inhalieren. Miniermottenexkremente, Pollen, Wurmeier, Schimmelsporen, Mikroben und Reifenabrieb. Tief durchatmend können wir so an einem Teil der Natur teilhaben, den wir nur erführen, würden wir uns auf allen vieren – hundeähnlich – durchs Herbstlaub schnüffeln. So weit so gut.

Wenn Dimitri K. von «ausrotten» spricht, beweist er aber: Er kennt den helveti-schen Föderalismus nicht vollends. Die Schweiz ist bekanntlich die Nation der Grossen Gleichzeitigkeit. Schickt sich zum Beispiel ein Kanton an, die Stinkreichen stärker zu besteuern, dann springt ein anderer Kanton in die Bresche, senkt für die gleiche Klientel die Steuern – und bietet damit diesen Ärmsten Asyl. Es ist ein schönes Geben und Nehmen, ein immerwährendes «Sowohl als auch». So wird es auch beim Benziner unter den Laubbläsern sein. In der Stadt Zürich verboten, werden unzählige ausserzürcherische Kommunen im Sinne des freundeidgenös-sischen Artenschutzes die geächteten Geräte übernehmen und ihnen ein taugliches Ersatzhabitat bieten. Das Bernbiet wird sich bestimmt auch solidarisch zeigen.

Warum aber schafft Zürich den Laubbläser ab? Es ist wegen des Frühfranzösisch. Bei der nachhaltigen Pflege der Landessprachen setzten die Zürcher Schulen in ihrem Eifer bekanntlich nicht auf Französisch, sondern auf Frühfranzösisch. Also auf Französisch um circa 8.20 Uhr. Und just um circa 8.20 Uhr versucht der Abwart jeweils auch mit seinem Laubbläser den Pausenplatz zu entblättern.

Die Folgen sind erschütternd. Der Zürcher Schüler im Allgemeinen versteht bei 110 Dezibel seine frankophone Lehrkraft nicht. Und die frankophone Lehrkraft im Allgemeinen versteht nicht, dass der Schüler ihr sagen will, er verstehe wegen des Laubbläsers von Abwart – nennen wir ihn Klöti –  rein gar nichts. Mössiö Klöti blase les feuilles! Il travaille avec l’instrument à vent pour la feuillage!! Bro Klöti balade avec sa souffleuse!!!

On le comprend sans aucun doute: Es ist ein nötiges Verbot. Wichtig fürs Laub, noch wichtiger fürs Französische.

Askforce Nr. 1205
27. Oktober 2025