Ralph E. aus L. ist kein Mann der vielen Worte. Seine Frage an die Askforce lautet kurz und knapp: «Bedeutet die aktuelle Vegan-Welle das Ende des Bücherwurms?» Die Askforce ist bekanntlich Fachinstanz für alles. Das macht sie automatisch zur Expertin für Veganismus und Würmer. In den letzten zwei Dekaden hat sie ihre Expertise regelmässig beweisen dürfen. Es war die Askforce, die Hooligans eine makrobiotisch-vegane Ernährung empfahl, lange bevor Lachs aus Rüebli und Nuggets aus Soja die Grossverteiler fluteten.

Und doch, geschätzter Herr E: Manchmal wären ein paar Worte mehr eben doch ganz nett. Es ist nämlich gänzlich unklar, von welcher Art Bücherwurm hier die Rede ist. Meinten Sie die Klopfkäfer, deren Larven eine hohe Affinität zum geistigen Gut haben und sich regelmässig durch wichtige Schriften fressen? So geschehen im Augsburger Stadtarchiv, wo sie sich an 200’000 Dokumenten gütlich taten. Sie könnten aber auch die Motte gemeint haben, deren Larve es auf alles abgesehen hat, was sich zersetzen lässt, darunter eben auch Zellulose. Oder die Milbe. Den Papierfisch. Den Bücherskorpion.

Damit wir Ihre Fragen beantworten können, müssen wir eine Annahme treffen.
Wir gehen davon aus, dass Sie folgendes Bild vom Bücherwurm vor Augen haben: das possierliche, bebrillte Kerlchen, das fröhlich aus dem eben zerstörten Werk winkt – welches ja per se vegan ist. Für diese Art von Bücherwurm ist die
«Vegan-Welle» an sich kein Problem. Ob kleine Tempeh-Welle oder heftiger Kichererbsen­püree-Tsunami: Er frisst sich geduldig durch, auch wenn er wohl lieber Thomas Manns «Zauberberg» wälzen würde. Danach braucht er aber einen ausgedehnten Verdauungsschlaf. Und der kann für ihn zum Problem werden. Wenn er vollgefressen und schnarchend auf dem Rücken liegt, wird er zur leichten Beute für seinen grössten – wenn nicht einzigen – natürlichen Feind: die Leseratte. Im Bestreben, die eigene geistige Nahrung gegen bebrillte Streber zu verteidigen, macht sie kein Federlesens. Ein lautes Schlürfen – und der Bücherwurm ist Geschichte.

Was aber, wenn nun plötzlich Leseratten vegan werden und deshalb die protein­haltigen Maden unangetastet lassen? Dann, lieber Herr E., führt die Vegan-Welle nicht zum Aussterben des Bücherwurms, sondern zu dessen ungebremster Entfaltung. Schade um all die Bücher.

Askforce Nr. 1049
5. Dezember 2022