Ihre Frage sei nicht wichtig, schreibt das geschätzte Fräulein Zoccoli. «Es geht um Dackel.» Vor Jahren habe es noch viele Dackel gegeben; dann verschwanden sie plötzlich, man habe davon ausgehen müssen, dass die Tiere ausgestorben seien. Doch nun sehe man da und dort wieder einen Dackel. «Liebe Askforce, wo kommen die Dackel plötzlich her», will Fräulein Zoccoli wissen. Und: «Hat jemand Dackel­sperma in Versteinerungen gefunden und es geschafft, diese Gattung wieder zum Leben zu erwecken?»

Nun, Fräulein Zoccoli, anders als Ihre Frage waren Dackel stets wichtig. Oft waren sie in Begleitung mächtiger und machtgieriger Männer anzutreffen. Napoleon Bonaparte, Abraham Lincoln oder auch Kaiser Wilhelm II hatten einen. Und Pablo Picassos Dackel Lump gilt als das bedeutendste Tiermodell der Kunstgeschichte. Spätestens als Waldi 1972 zum Maskottchen der – tragischen – Olympischen Spiele in München gekürt wurde, war der Dackel im einfachen Volk angekommen. Alle wollten einen, es wurde gezüchtet, was das Zeug hielt – und plötzlich brach die Nachfrage ein.

Warum? Der Dackel war aus der Mode gekommen. Schuld daran war sein Charakter. Sein übersteigertes Selbstbewusstsein und seine Bindungsunwilligkeit mögen für die Baujagd von Fuchs und Dachs taugen, nicht aber fürs harmonische Zusammen­leben mit dem Menschen. In einer Welt, in der der Gemeinschaftssinn eine immer kleinere Rolle spielt, will der Mensch wenigstens in den eigenen vier Wänden jemanden haben, der sich ihm unterwirft und ihm uneingeschränkte Liebe und Loyalität entgegenbringt. Und so wurde Waldi durch Lassie und Buddy ersetzt.

Doch anders als der Tasmanische Tiger oder der Chinesische Flussdelfin ist der Dackel nicht ausgestorben. Er war nie ganz weg. Er hat es sich einfach andernorts gemütlich gemacht. Zum Beispiel in Japan, wo er mit offenen Armen empfangen wurde. Wegen seiner geringen Körpergrösse passt er in jedes Mikroapartment.
Sie ahnen es, Fräulein Zoccoli, auch in Japan kam es zu Differenzen. Aber die Japanerin – anders als der Europäer – sortierte den kleinen Liebling nicht einfach aus, sie suchte stattdessen nach Lösungen.

Womit wir bei des Pudels Kern angelangt sind: Nicht versteinerte Spermien stehen am Ursprung des Dackel-Revivals, sondern minimalinvasive Eingriffe an der DNA. Etwas mehr Geduld in Chromosom Nr. 31, etwas weniger Eigensinn in Nr. 47 und eine grosse Portion Unterwürfigkeit in Nr. 3 – und schon ist Waldi auch hierzu­lande wieder stubenrein, pardon: salonfähig. Ein kleiner Piks für jede Menge Lebensqualität.

Askforce Nr. 1010,
7. März 2022