Hieb- und stichfest
«Wieso zeigt sich die SVP-Spitze in letzter Zeit immer mit Hellebarde?», will Marie N. wissen. «Ist die nicht schon vor 500 Jahren aus der Mode gekommen?» Liebe Frau N., in freundeidgenössischer Zugewandtheit nehmen wir an, dass sich das Relativpronomen «die» in Ihrer zweiten Frage auf die Hellebarde bezieht und nicht auf die SVP-Spitze. Wie auch immer. Mode verläuft sowieso zyklisch. Was man längst überwunden glaubte, feiert plötzlich wieder fröhlich Urständ. Schulterpolster und Ideologien gleichermassen.
Mit der Wahl der Hellebarde als Accessoire, um auf Ihre Frage zurückzukommen, beweist die SVP diese Saison jedenfalls stilsicher ihre Technologieoffenheit. Wieso sollten wir bei der dringend benötigten Drohnenabwehr auf teure Hightech-Waffen ausländischer Anbieter warten, wenn im Archiv des Landesmuseums, im Fundus der Tell-Spiele und an den Wänden gutbürgerlicher Landgasthöfe ein tausendfach erprobtes Waffensystem aus heimischer Produktion auf seine Kampfwertsteigerung (einmal mit dem Staubwedel drüber) und die Wiederindienstnahme wartet? Einfach eine Hellebarde mit einem gekonnten Hornusserwurf in die Luft schleudern, und schon liegt ein feindlicher «Russen-Nouss» abgetan auf dem Feld wie anno dazumal die Habsburger bei Sempach. Das ist kein Griff in die Mottenkiste, das ist Upcycling und liegt damit voll im Trend.
Oder ist das mit der Hellebarde und der SVP mehr ein psychologisches Phänomen? Will man dem Volksmund glauben, hat jeder rechte Schweizer einen «Hegel» im Sack. (Womit das Militärtaschenmesser gemeint ist und nicht der gleichnamige deutsche Philosoph.) Weil sich die Volkspartei gerne als Vertreterin der wahren, also der wirklich rechten Schweizer versteht, liegt die Vermutung nahe, dass ihr ein Sackmesser als Ausweis gepflegter Swissness nicht mehr ausreicht. Da muss schon ein historisches Hackbeil her. Die Hellebarde wäre quasi für die SVP, was Bling-Bling und Protzkarren für Gangsterrapper – ein Mittel zum Flexen, also zum Angeben. Und im Falle mancher Rapper auch der Versuch, darüber hinwegzutäuschen, dass man als Sprechgesangskünstler nicht der hellste Barde ist.
Oder geht es um etwas ganz anderes? Sind die Volksparteiler zur bisher völlig unterschätzten Littering-Brigade geworden? Wozu eine Kneifzange, denken sie sich vielleicht, wenn man auch mit der Hellebarde fremde Fötzeli vom Strassenrand pflücken kann? Dass mag folkloristischen Charme haben. In der Politarena hingegen, so unser Urteil aus neutraler Warte, braucht es eher hieb- und stichfeste Argumente als ein wüstes Hauen und Stechen mit ideologisch aufgeladenen Requisiten. Oder wie schon Mani Matter einst sang: «Sy würde d’Freiheit gwinne, wenn sy däwäg z’gwinne wär.»
Askforce Nr. 1209,
24. November 2025