Frau R. J. aus Bern war diesen Frühling mit unserer Antwort auf eine Frage zur Heiratsstrafe so sehr zufrieden – «Wo Sie nur immer diese Ideen herhaben!» –, dass sie gleich eine weitere Frage stellte: «Ideen sind plötzlich da. Doch woher kommen sie und wo waren sie vorher?»

Danke zunächst für Ihr positives Feedback, Frau J., das sich wie Lob anfühlt. Und danke für die Folgefrage, die wir als hochinteressant einstufen. Sie hat das Zeug dazu, einen kurzfristig durchdrehen zu lassen – genauso, wie wenn man zu lange darüber nachdenkt, was die Sonne eigentlich ist. Halt: Warum kam dem Schreiber jetzt gerade dieser Vergleich in den Sinn? Darum: Er hatte das Bedürfnis, die Art des Durchdrehens mit einem Vergleich zu veranschaulichen. Und weil ihm auf Anhieb nichts einfiel, guckte er ratlos aus dem Fenster.

Interessant ist ja, dass man immer etwas findet, wenn man sucht. Oft aber nicht das, wonach man sucht. Der Klassiker ist der: Man sucht die Flachzange, findet stattdessen aber andere Dinge, zum Beispiel die Sonnenbrille. Halt: Wenn Sie als Leserin oder Leser jetzt glauben, diese Veranschaulichung hänge mit der ersten zusammen (Sonne), ist das falsch. Der Schreiber hat «Gutes Beispiel» in eine Suchmaschine eingegeben. Das erste Suchergebnis war ein Eintrag über den Wettbewerb «Gutes Beispiel 2016», der vom Bayerischen Rundfunk durchgeführt wurde. Gewonnen wurde er von der Initiative Ein-Dollar-Brille.

Aufgrund dieser Ausführungen wagen wir zu behaupten, dass Ideen aus dem Augenblick heraus entstehen – oder kommen, um präzis auf Ihre Frage einzugehen, Frau J. Das hiesse dann aber auch, dass eine bestimmte Idee vor ihrer Erzeugung nirgendwo war. Auch nicht im Nichts. (Hier sehen wir uns mit einer neuen Frage konfrontiert, mit der wir uns wohl ein andermal beschäftigen müssen: Ist es ein Unterschied, ob etwas nicht existiert oder ob es im Nichts existiert?)

Nur, vielleicht stimmt dieser Gedanke gar nicht: Man könnte ja sagen, dass alle denkbaren Ideen, und das sind nahezu unendlich viele, schon seit jeher als Möglichkeit existieren. Damit aber eine von ihnen in die Welt kommt, ist ein Apparat erforderlich, der sie wirklich denkt. So gesehen ist auch jeder einzelne Mensch vergleichbar mit einer Idee. Vor seiner Zeugung existierte er ja bloss als eine von unglaublich vielen Möglichkeiten.

Fast schon ein bisschen unheimlich ist schliesslich der Gedanke, dass dieses Prinzip mit dem Ozean der Möglichkeiten die längste Zeit funktioniert hat, ohne dass sich jemand darüber wunderte – oder wundern konnte.

Askforce Nr. 767
18. Juli 2016