«Will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen»

Zeitungen zitieren zuweilen Zeitgenoss:innen, ohne deren Namen zu nennen. Die Blätter weichen stattdessen auf Formulierungen wie diese aus: «… möchte seinen Namen nicht in dieser Zeitung lesen.» Diese Unsitte ist unserer werten Fragestel­lerin Frl. Zoccoli aufgefallen. Sie fragt aufmüpfig: «Warum muss uns ein Name vor­ent­halten werden, nur weil eine einzige Person ihn nicht in der Zeitung lesen will?»

Wir wissen genau, was Frl. Zoccoli denkt. Die Person, die zwar einer Zeitung Aus­kunft gibt, dann aber ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, könnte am Er­scheinungstag die Zeitung einfach ungelesen ins Alt­papier legen. Oder eine andere Zeitung lesen. Oder wenn die Person etwas Zotiges über einen Politiker ins Journa­listen-Mikrofon diktiert hat, aber ihren eigenen Namen nicht in der Zeitung lesen will, könnte sie ja am Erscheinungstag nur den Sportteil lesen. So denkt Frl. Zoccoli.

Wäre die Welt eine einfache, wäre die Sache damit bereits geklärt. Aber Frl. Zoccoli denkt eben zu kurz. Steht der eigene Name in der Zeitung – zum Beispiel Hans Müller – , dann lesen ihn ja auch Müllers Nachbarin, seine Jasskollegen, seine
Ex-Geliebten und seine Steuerberater. Steht der eigene Name in der Zeitung, ent­faltet sich also eine beachtliche Aussenwirkung. Nirgendwo weiss man das besser als im Eidgenössischen Departement des Aeusserns (EDA). Es ist für Müllers Problem zuständig. Das «den eigenen Namen nicht in der Zeitung lesen wollen» ist im EDA sogar absolute Chefsache. Das hat uns Chef Cassis persönlich bestätigt.

Auf unseren Wunsch hin hat sich Chef Cassis zudem am 3. September 2023 im gut erschlossenen Tessiner Dorf Sant’Antonino mit Worten des Trostes an all die Müllers und Zoccolis gewandt: «Ich lese keine Zeitungen mehr. Es nützt mir nichts. Sie geben mir nichts, absolut gar nichts. Und da ich sie nicht mehr lese, bin ich dreimal schnel­ler.» Im Originalwortlaut: «Da quando non lo faccio più, vado tre volte più forte.»

Es sind magistrale Worte, die die Welt verändern. All das aufklärerische Gesülze von «lesen bildet» ist entkräftet. Den eigenen Namen nicht in der Zeitung lesen zu wollen, ist dabei bloss ein erstes, zartes Erwachen. Erst Zeitungen generell nicht mehr zu lesen, zündet den Turbo – und macht dreimal schneller. Überhaupt rein gar nichts mehr zu lesen, ist dann bereits die Erleuchtungsstufe – und macht fünfmal schneller. Das Lesen gar nicht erst zu lernen, macht sogar siebenmal schneller.

Wäre also Mujinga Kambundji absolut illiterat, könnte sie die 100 Meter dank der Cassis’schen Zauberformel in 1.56 Sekunden zurücklegen. Ärgerlich wäre dabei bloss, dass es niemand erführe, obschon es in der Zeitung stünde.

Askforce Nr. 1095
16. Oktober 2023