Helen M. aus K. hat damals nicht nur den Kreuzstich perfektioniert, als sie im Handarbeiten in Kleinarbeit «Ein gutes Gewissen ist ein feines Ruhekissen» auf eine Nackenrolle stickte, sondern – non scholae sed vitae discimus – auch einiges an Ethik mitgenommen. «Liebe Askforce», schreibt sie uns darum, «mein Leben lang habe ich mich stets für Gerechtigkeit eingesetzt – in der Friedensbewegung, in der Kirchgemeinde, in der Schulpflege. Inzwischen fällt mir auf, wie schlecht ich in aller Regel schlafe, weil mich all das Unrecht plagt, das uns umgibt. Und jetzt frage ich mich, ob es den ‹Schlaf der Gerechten› überhaupt gibt? Mir will fast scheinen, dass die Ungerechten – die Putins, Trumps und so weiter – eher besser schlafen. Muss ich jetzt ungerechter werden, um meinen Schlaf wiederzufinden?»

Liebe Frau M., doch, doch, den erholsamen «Schlaf der Gerechten» gibt es; zu wissen, dass man alles richtig gemacht hat, ist durchaus entspannend, und mit Ihrem menschenfreundlichen Lebenswandel haben Sie die halbe Miete schon zusammen!

Die andere Hälfte liegt nur teilweise in Ihrer Hand. Denn leider leben auch Sie in der einzigen Welt, die wir haben – und damit verliert Ihr Ruhekissen deutlich an Federn. Wenn Sie deswegen aber nun selber «ungerecht» werden, stossen Sie möglicherweise einen Teufelskreis von Bosheit, Aggression, Schlaflosigkeit, Gereiztheit, noch mehr Bosheit und noch weniger Schlaf an. Frau M., bleiben Sie eine Gute! Aber überdenken Sie Ihr Konzept – «Ich bin ein guter Mensch, darum habe ich es verdient, gut zu schlafen» – noch einmal. Würde es so neoliberal laufen, hätte nicht einmal Trump ein Problem mit dem Anstand: «Ich bin gerecht (invest), also erhalte ich etwas dafür (return) – DEAL!». Zack – Donald benimmt sich und Frau M. schläft durch.

Leider ist es nicht so einfach, und es ist tatsächlich anzunehmen, dass sich Putin und Trump selber als Gerechte sehen und ja, ungerechterweise sogar gut schlafen. Aber stellen Sie sich vor, Frau M., die beiden kämpften mit angemessen schlechtem Gewissen und Schlaflosigkeit, dann (siehe oben, Stichwort Teufelskreis) würde zuletzt wieder Ihr eigener Schlaf leiden. Es ist zum Verzweifeln.

Liebe Frau M., wenn wir das Rezept für «en tüüfe, gsunde Schlaaf» gefunden haben, melden wir uns wieder.

Bis dahin können wir Ihnen nur empfehlen, beim Einschlafen mehr Schäflein und weniger Schafsköpfe zu zählen.

Askforce Nr. 1025
20. Juni 2022