Herr Ruedi D. aus Bern hat seine Zuschrift kurz gehalten, umso explosiver ist ihr Inhalt: «Ich hätte da eine ganz einfache Frage», schreibt er. «Wie laut war, nur ungefähr, der Urknall? Vielleicht hat ja die Askforce im Archiv ein Tondokument davon.»
Das Augenzwinkern, mit dem diese Frage formuliert wurde, bewegt sich schon fast im hörbaren Bereich. Und es ist eine Frage, die uns auf die Probe stellen will. Mehr als für die Antwort interessiert sich der Fragesteller dafür, ob wir die Falle bemerken, die er uns stellt. Selbstverständlich tun wir das: Der Urknall war gar nicht hörbar, weil es kein Medium gab, in dem sich die Schallwellen fortpflanzen konnten. Zudem expandierte das Universum in diesen ersten Augenblicken so stark, dass sogar wir als Laien annehmen dürfen, dass diese Expansion schneller als mit Schallgeschwindigkeit erfolgte.
Es ist nicht das, was Sie von uns hören wollten, Herr D., das ist uns klar. Denn eigentlich möchten Sie wissen, wie laut der Urknall gewesen wäre, wenn man ihn hätte hören können. Und da Sie es nur ungefähr wissen wollen, wagen wir den Versuch einer Antwort.
Und dabei beginnen wir, aus Respekt vor der Grösse des Alls, mit einer Vereinfachung: Wir nehmen an, beim Urknall sei nicht das ganze Universum entstanden, sondern bloss unsere Milchstrasse. Für Sie, Herr D., heisst das: Am Ende müssen Sie die Lautstärke, die Sie sich vorstellen, noch um einen Faktor von ein paar Milliarden verstärken.
Jetzt versuchen wir, einen Grössenbezug herzustellen zwischen uns und der Milchstrasse: Rührt man einen Milchkaffee, nimmt der Schaum die Form einer Spiralgalaxie an. Der springende Punkt ist nun der: Während unsere Schaum-Galaxie sich einmal pro Sekunde dreht, dauert eine Umdrehung der Milchstrasse etwas über 200 Millionen Jahre. Die gigantische «Grössen-Kluft», die sich zwischen unserem Alltagskram und der galaktischen Ebene öffnet, kann somit mit einem Faktor von ziemlich vielen Milliarden umschrieben werden. Der auf die Milchstrasse reduzierte Urknall dürfte deshalb ungefähr um so viel lauter gewesen sein als ein Knall, wie Sie ihn aus Ihrem Alltag kennen.
Die Frage, die offen bleibt, ist die nach der Art des Knalls: Womöglich klang der Urknall gar nicht wie ein Knall. Vielleicht klang er eher wie ein unanständiges Sprotzen im Auspuff eines Cabriolets.
Askforce Nr. 712,
15. Juni 2015