Unlängst hat sich die Askforce sich die Bemerkung erlaubt, dass unsere Leserschaft eine «starke Vorliebe für abstrakte Fragen» zu haben scheint. Diese Klage hat Herrn Tsch. veranlasst, uns eine durch und durch konkrete Frage zukommen zu lassen. Er helfe uns gerne, schreibt er. Wir bedanken uns für diese Liebenswürdigkeit.

Seine Frage sei aus dem eigenen Leben gegriffen, so unser Leser. «Kurz und knapp: Wie kommen die Krümel in die Besteckschublade?» Gewisse Vermutungen stellt Herr Tsch. gleich selber an. So gibt die Tatsache, dass sich die Besteckschublade «in gefährlicher Nähe zur Arbeitsfläche» befindet, zu einigen Befürchtungen Anlass, die Herr Tsch. aber sogleich durch die Feststellung entkräftet, er sei «(nicht nur in der Küche) eine reinliche Person».

Das heisst, er verschliesst beim Schneiden, Hacken und Kochen die Schublade und legt Gabel, Messer und dergleichen nur nach einem gründlichen Reinigungsprozess «blitzblank gespült» zurück. «Gleichwohl sind die Krümel da und vermehren sich auf wundersame Weise. Was muss ich tun?» Herr Tsch. will die Angelegenheit nicht hinnehmen.

Es ist denkbar, dass sich im Haushalt von Herrn Tsch. noch andere Personen aufhalten, die es mit der Reinlichkeit weniger streng nehmen als er. Aus den Aufzeichnungen von Küchenhistorikern wissen wir, dass auch auf Heimlichkeit bedachte, tierische Mitbewohner sich zuweilen im rückwärtigen und schlecht einsehbaren Teil von Schubladen aufhalten. Gerade Mäuse sind unverbesserliche Krümelanten. Da aber Herr Tsch. sich als «reinlich» bezeichnet – und wir daran nicht zweifeln – fallen diese beiden Lösungsansätze ausser Betracht.

«Nescimus quid solutum est in culina» – wir wissen nicht, was in der Küche los ist. Das sagte schon der mittelalterliche Benediktiner-Domherr und Feinschmecker Pansenius. Es hielt ihn aber nicht davon ab, mit unbändigem Appetit zuzugreifen und billige Witzchen in seinem bevorzugten Küchenlatein zu machen – ein Beispiel davon haben wir eben angeführt. Wenn er sich zu Tisch setzte, pflegte er zu sagen: «Habeo magnus vapor caulis.» Ich habe grossen Kohldampf. Das Krümelproblem überliess er den Philosophen, die vorschlugen, das Brot in der Badewanne zu schneiden.

Askforce Nr. 986
4. Januar 2021