«Liebe Askforce, heute Morgen habe ich am Himmel ein Zeichen gesehen.» So beginnt die Zuschrift von Herrn M. B. aus W. Gesehen hat er das Zeichen im Aaretal, als er mit dem Zug zur Arbeit fuhr. Herr B. will von uns aber nicht wissen, was es für ein Zeichen war – er scheint sich da bestens auszukennen: «Es war eine Art Haloerscheinung» –, er will auch nicht wissen, wie wir es deuten.
Seine Frage zielt in eine unerwartete Richtung: «Was soll ich mit einem solchen Zeichen anfangen, wo ich doch Atheist bin?» Und Herr B. hat bereits einen Vorschlag: «Soll ich einen gläubigen Menschen informieren, dass es eines gegeben hat?» Dadurch könnte das Zeichen quasi «umgebucht» werden auf jemanden, dem es etwas bedeute – «so wie man an der Supermarktkasse Pfannenpunkte an den nächsten Kunden weitergeben kann».
Lieber Herr B., wenn wir Sie richtig verstehen, wollen Sie als Ungläubiger Gläubigen helfen, den Glauben zu stärken? Das finden wir, ehrlich gesagt, etwas komisch: Bevormunden und verschaukeln Sie damit nicht ihre suchenden und zweifelnden Mitmenschen? Ein kritischer Gläubiger jedenfalls würde Sie fragen, warum Sie ihm ein solches Zeichen zwar als Zeichen von Gott weiterreichen wollen, es aber nicht selber als das interpretieren.
Etwas anderes kommt hinzu: Ihre Haloerscheinung ist für Gläubige ohnehin praktisch wertlos. Der Streuverlust bei dieser Art von Zeichen ist nämlich enorm gross, weil sie stets für viele Menschen gleichzeitig sichtbar sind. Und so richtig plausibel wäre es ja auch nicht, wenn Gott ausgerechnet eine Haloerscheinung an den Himmel projizieren würde, um den Menschen in Wichtrach Hallo zu sagen.
Damit ein Zeichen als Zeichen von Gott gewertet werden kann, muss es vielmehr massgeschneidert und auf einen einzelnen Menschen ausgerichtet sein. Doch selbst wenn das der Fall ist, mangelt es nicht selten an Eindeutigkeit. Dazu gibt es eine kleine Geschichte: Da sitzt also ein Mann an einem Seeufer und sagt zu sich: «Dieu, si tu existes, envoie-moi un signe.» (Gott, falls du existierst, schick mir ein Zeichen.) Nach einer Weile schwimmt ein Schwan vorbei – un cygne.
Doch Spass beiseite: Richtige Zeichen Gottes gibt es heute in unserer verkopften Welt nur noch ganz selten. Das letzte, an das sich die Askforce erinnern kann, datiert vom 16. Juli 2015. Die Berufsfeuerwehr Bern musste an jenem Tag an die Kehrgasse ausrücken, weil dort ein Gebüsch brannte. Das allein ginge ja noch. Aber wissen Sie, Herr B., wer danach gemäss Mitteilung als «mutmasslicher Verursacher» gesucht wurde? «Ein älterer Mann mit grau-weissem Haar.»
Fazit: Offenbar gibt es Zeichen und Zeichen. Und man sollte sie nicht gegeneinander ausspielen – auch wenn wir der Meinung sind, Ihr Halo-Dings über dem Aaretal sei nichts gegen unseren brennenden Dornbusch in Bern. Aber wie dem auch sei: Wir kämen nie auf die Idee, unser Zeichen auf Sie umbuchen oder mit Ihnen tauschen zu wollen. Überhaupt: Lieber als ein Zeichen hätten wir hier jetzt eine gute Pointe. Aber vielleicht ist die fehlende Pointe ja gerade ein Zeichen – Zeichen und Strafe in einem.
Askforce Nr. 857
11. Juni 2018