«Mir fällt als älterer, aber wacher Zeitgenosse mit Sprachsinn auf, dass Menschen jüngeren Alters – oft mit Migrationshintergrund – Alltagsformulierungen gerne abkürzen im Sinne von: ‹Gömer Bahnhof› oder ‹Ja, voll›. Meine Frage: Ist das als Verarmung der Sprache zu werten oder als geniale Form der Sprachökonomie, auf Überflüssiges radikal zu verzichten?»

Sehr geehrter Herr Felix A. aus Bern. Zunächst möchten wir Ihnen für Ihre formvollendete Frage zur sprachlichen Evolution der nachfolgenden Generation, nicht selten jener mit grenzüberschreitender familiärer Historie, unsere tief-empfundene Dankbarkeit entbieten. Es ist für die Mitglieder der Askforce immer ein Genuss, wenn uns Mitbürgerinnen und Mitbürger mit überdurchschnittlicher Lebenserfahrung ihre Observationen im sozio-kulturellen Umfeld übermitteln – und dies erst noch eingebettet in die fehlerfrei formulierte Frage, wie denn bitte diese teils empirisch belegte, teils empfundene Evolution in die tradierten Ge-pflogenheiten unserer Gesellschaft einzuordnen sei. Es ist ein Gefühl, wie wir es sonst nur empfinden, wenn uns die Bedienung im «Monnier» in Bern ein Porzellanplättchen mit zwei subtil gesülzten Canapés serviert!

Wir zweifeln keine Sekunde, werter Herr A., dass Ihnen das in wachem Zustand gelungen ist – zu oft erhalten wir Fragen, die im Rahmen einer qualifizierten Fern­diagnose auf chronische Narkolepsie oder die Inhalation psychoaktiver Stoffe schliessen lassen. Es war uns deshalb ein grosses Anliegen, Ihnen diese Wert­schätzung mitzuteilen, bevor wir nun also zur ausführlichen Beantwortung Ihrer Frage schreiten.

Lieber Herr A. – dürfen wir Sie so ansprechen, ohne Ihnen zu nahe zu treten? – Sie stellen im ersten Teil Ihrer Fragestellung die Verkürzung von Formulierungen durch die von Ihnen so trefflich beschriebene Bevölkerungsgruppe ins Zentrum. Im zweiten vermuten Sie derweil eine geniale Form der Sprachökonomie. Es ist diese Amivalenz, die Sie offensichtlich beschäftigt und die auch uns, die Askforce, schon bei der ersten Lektüre Ihrer so sehr berechtigten Frage elektrisierte.

Die vertiefte Beschäftigung mit der Thematik förderte nun allerdings zutage, dass die Verkürzung in der Kommunikation zwischen sich vertrauten Personen alles andere als neu ist. So hat schon Alpöhi, der Grossvater von Heidi, auf die Frage, ob sie, Heidi, zu Geissenpeter auf die Alp dürfe, bloss mit einem «Hmmm» geant­wortet, was sie aber problemlos als begeisterte Zustimmung zu interpretieren ver­stand. Genauso wie er «Hmm» sagte, als Heidi Klara auf die Alp brachte.

Was wir damit sagen wollen, sehr geehrter Herr F. A.: Es braucht nicht für alles viele Worte. Oder, wie uns eine junge Person kürzlich auf Ihre Frage sagte: «Boa, Digga, voll cringe – schlimmer als Scheff, Bro!»

Askforce Nr. 1081
10. Juli 2023