Das Verhaltensmuster, über das sich Frau R. R. aus Köniz wundert, ist allgemein bekannt: «Am Ende der Rolltreppe bleiben die Leute vor mir fürs Erste orientierungslos stehen.» Sie verursachten so hinter sich «absolut unnötige Stresssituationen». Ähnliches beobachte sie, wenn Leute aus dem Zug ausstiegen. Ins gleiche Kapitel gehörten all die Begrüssungsszenen, die immer dort passierten, «wo andere eigentlich passieren möchten». Beunruhigt ist R. R., weil es für sie selbst «eine ziemliche intellektuelle Herausforderung» sei, sich nicht ebenso «stauverursachend» zu verhalten.

Ein heikles, tabuisiertes Thema! Aus Rücksicht aufs breitere Lesepublikum bemüht sich die Ask Force heute um die möglichst einfache Darlegung der komplexen Zusammenhänge – und der praktikablen Lösungsansätze:

\1. Das Phänomen ist leider Beweis für die Alinearität der menschlichen Evolution: Mitten im rasanten Fortschritt verhält sich der Mensch grundsätzlich gleich wie jene frühen humanoiden Primaten, die beim Schritt aus dem Dunkel der Höhle mangels ausgeprägter cerebraler Potenz vorerst einmal unentschlossen stehen blieben und in die Sonne blinzelten. Anders gesagt: Der Mobilitätsgewinn ist evolutionsgeschichtlich nicht verknüpft mit einer wachsenden Fähigkeit, zu wissen, wohin es überhaupt gehen soll.

\2. Die Folgen dieses Verhaltensmusters werden kolossal unterschätzt. Der Stress am Ende der Rolltreppe – und in all den vergleichbaren Alltagssituationen – führt zur Ausschüttung des Stresshormons Cortisol. Dauernd erhöhte Cortisol-Konzentrationen begünstigen Magengeschwüre, Depressionen, Impotenz, Osteoporose, Arteriosklerose, Erfolglosigkeit, schlechtes Aussehen und Paradontosis.

\3. Die Primatenforschung belegt: Schimpansen haben umso mehr Cortisol im Blut, je tiefer ihre soziale Stellung ist. Das heisst:

Sich ängstlich fühlende, unsichere, von Fluchtverhalten geprägte und ausgleichsunfähige Affen mit schwachem Mitverantwortungsgefühl und ohne den Überblick für Gesamtsituationen sind besonders dafür prädestiniert, um – im übertragenen Sinn – am Ende der Rolltreppe unmotiviert stehen zu bleiben!

\4. Die obgenannten Qualitäten lässt sich kein aufgeschlossener Mensch gerne nachsagen. Darum unser Tipp: Schneiden sie die hervorgehobenen Zeilen aus und kleben sie diese zum Beispiel auf die Rückseite ihres Halbtaxabos. Zweiter Schritt: Regelmässige Autosuggestion («Nein, ich bin kein unterentwickelter, entscheidunfähiger Primat . . . usw. usw.»).Dritter Schritt: Am Rolltreppenende dezidiert wegtreten. Danke!

Askforce Nr. 195,
15. November 2004