Wir sind nicht ganz sicher, ob Herr Hugo B. aus Jegenstorf sich mit seiner Frage an die richtige Instanz gewendet hat. «Warum drehen sich in Filmen die Räder eines Autos (scheinbar) rückwärts, auch wenn das Auto vorwärts fährt?», fragt er in seiner Zuschrift. Er stelle sich vor, dass die Askforce auf diese Frage eine Antwort habe.

Klar haben wir das. Nur eben, wir sehen uns nicht in erster Linie als Briefkasten- onkel eines Wissenschaftsmagazins. Zudem beschleicht uns ganz leicht das Gefühl, als ob Sie, Herr B., uns bloss testen möchten. Wie dem auch sei. Hier die Antwort.

Mit Ihrer Beobachtung sind Sie auf den sogenannten Wagenradeffekt gestossen. Dieser hängt damit zusammen, dass eine Filmkamera im Grunde genommen ein Fotoapparat ist, der Bilder sehr schnell hintereinander aufnehmen kann, und zwar so schnell, dass die Bilder beim Abspielen für das menschliche Auge zu einem Film verschmelzen. Mittlerweile gibt es übrigens Kameras, die imstande sind, mehrere Tausend Bilder pro Sekunde aufzunehmen. Unter dem Stichwort Superzeitlupe finden sich im Internet eindrucksvolle Beispiele. Sie werden begeistert sein, Herr B.

Doch nun zur Frage. Weil eine Filmkamera immer nur zu einem bestimmten Zeit- punkt ein Bild aufnimmt, ist der Wagenradeffekt unvermeidlich. Wenn das Rad einer Kutsche exakt so schnell dreht, dass eine Speiche auf dem zweiten Bild genau dort abgebildet wird, wo auf dem ersten Bild ebenfalls eine Speiche war (egal welche), scheint das Rad stillzustehen. Wenn die Kutsche leicht verlangsamt, schafft es die Speiche nicht mehr ganz bis auf diese Position und wird zu früh abgebildet. Das sieht dann so aus, als würde das Rad rückwärts laufen. Wir sind sicher, Herr B., Sie begreifen das nun ganzheitlich. Wenn Sie von einer alten Super- 8-Kamera ausgehen, die 18 Bilder pro Sekunde schaffte, können Sie sogar selber Berechnungen anstellen.

Oder Sie können versuchen, mit dem Effekt, der in allgemeiner Form als strobo- skopischer Effekt bekannt ist, selber zu experimentieren. Versuchen Sie zum Beispiel, Ihre Augendeckel so schnell wie möglich zu öffnen und zu schliessen. Sie werden locker auf fünf bis sechs Blinzelbewegungen pro Sekunde kommen. Gucken Sie dann während des Gehens hinunter zu Ihren Beinen, wie diese abwechselnd nach vorne stossen. Vielleicht passiert etwas. Vielleicht erleben Sie plötzlich aufregende Überlagerungserscheinungen am eigenen Leib. Aber achten Sie von Anfang an darauf, dass Sie das Turboblinzeln auch wieder abstellen können. Ausser Sie wollen in die Geschichte eingehen – als Stroboman.

 

Askforce Nr. 756, 25. April 2016