Markus A. aus G. ist ratlos. Ihm ist aufgefallen, dass viele «auch akademisch gebildete Personen wie Gemeinde-, Partei-, Vereins- und Verwaltungsratspräsidenten» vor, während oder am Schluss einer Ansprache «Ich möchte . . . herzlich danken für . . .» sagen. Ihn bewege die Frage, warum die Leute dies nicht einfach tun und ihren Dank sogleich anbringen. Damit ihn die Frage nicht mehr länger beschäftigt, bittet er die Askforce um eine «tiefgründige Analyse».

Als Erstes, Herr A., möchten wir Ihnen herzlich für Ihre Zuschrift danken, sie hat uns sehr gefreut. Nun zu Ihrer Frage: Um diese zu beantworten, ist ein kurzer Abstecher in die Grammatik nötig. Wie wir einst in der Schule gehört haben, gibt es in der deutschen Sprache Wörter, die sich Verben nennen. Unter diesen gibt es solche, die einen Wunsch, einen Zwang oder aber eine Möglichkeit bezeichnen, sogenannte Modalverben. Im Deutschen sind dies können, sollen, wollen, müssen, mögen und dürfen, wenn sie in Verbindung mit einem Infinitiv ohne «zu» stehen.

Oft werden Modalverben dann verwendet, wenn eine Aufforderung, eine Bitte oder ein Wunsch weicher formuliert werden soll. Es tönt doch sanfter, ja anständiger, wenn auf einem Schild steht «Wir möchten Sie bitten, das Rauchen zu unterlassen» als «Wir bitten Sie, das Rauchen zu unterlassen». Und wenn ein Vermieter schreibt «Wir möchten Sie höflich darauf hinweisen, dass Haustiere in dieser Wohnung nicht erlaubt sind», verzeiht man ihm schon fast, dass Fido bald ins Tierheim kommt. – Anders ist die Situation, wenn es darum geht, jemandem zu danken. Denn es spricht rein gar nichts gegen einen direkten herzlichen Dank. Dass viele Rednerinnen und Redner aber sagen, «ich möchte mich bedanken», es dann aber gar nicht tun, hat also jeweils Gründe.

Diese werden gewöhnlich in vier Kategorien unterteilt. 1) Der Redner/die Rednerin darf der Person gar nicht danken, weil er/sie dazu nicht autorisiert ist. 2) Der Redner/die Rednerin soll gar nicht danken, weil die Person den Dank nicht verdient hat. 3) Der Redner/die Rednerin will sich gar nicht bedanken. Zum Beispiel, weil er/sie die Person nicht ausstehen kann. 4) Der Redner/die Rednerin kann sich gar nicht bedanken, weil er/sie schlicht nicht weiss, wie das geht. Schliesslich hat er/sie so etwas noch gar nie gehört, weil in allen anderen Reden auch nie richtig gedankt wird.

Es erstaunt daher nicht, dass diverse linguistische Studien zum Schluss gekommen sind, dass Kategorie 4 in 78,7 Prozent der Fälle verantwortlich ist für den Gebrauch von «ich möchte danken». Tendenz steigend. Denn jede Rede, die gehalten wird, ist eine mögliche Inspiration für eine weitere Rede. So orientiert sich der Gemeindepräsident von Oberschrättligen zum Beispiel an der Präsidentin des kantonalen Sportkorbflecht­vereins. Diese wiederum hat die Wendung aufgeschnappt, als der Statthalter anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums ihres Vereins eine Rede hielt. Der Statthalter seinerseits war derart begeistert von der Ansprache eines Bundesrats, dass er Teile dieser zu seiner eigenen machte. Besagte bundesrätliche Ansprache wurde übrigens von seinem Stabs­mitarbeiter geschrieben. Dieser hatte einst die Primarschule Oberschrättligen besucht.

Askforce Nr. 637,
2. Dezember 2013