«Liebe Freunde von der Kolumne, die ich jeweils mit hohem Genuss lese»: Mit dieser Anrede ist Herr C. A. aus Gasel womöglich der Erfinder der Anrede mit Nebensatz. Aber wie dem auch sei – wir haben uns darüber gefreut. Herr A. schreibt, vor einiger Zeit habe er im «Bund» in einer Todesanzeige folgenden Satz gelesen: «Nach kurzer, schwerer Krankheit haben wir die schmerzliche Pflicht, Ihnen mitzuteilen, dass unser Verwaltungsratspräsident für immer von uns gegangen ist.» Herr A. fragt: «Verstehe ich das richtig? Die Mitglieder des Verwaltungsrats sind kurz und schwer krank gewesen, gestorben ist aber der Verwaltungsratspräsident?»

Nein, Herr A., Sie verstehen das falsch. Aber natürlich haben Sie im Grunde genommen recht, wenn Sie mit Ihrer Frage darauf hinweisen wollen, dass der Satz falsch ist. Das ist er. Wir haben hier die paradoxe Situation, dass Sie den Satz falsch verstehen müssen, damit Sie die Botschaft richtig verstehen. Und eigentlich – Hand aufs Herz – haben Sie die Botschaft ja auch richtig verstanden, sonst hätten Sie nicht schmunzeln müssen, wie Sie das weiter unten in Ihrer Zuschrift zugegeben haben.

Die Askforce nimmt nicht zum ersten Mal Stellung zu diesem Thema: Vor anderthalb Jahren hatte ein Leser festgestellt, wenn er Bauernschinken kaufe, löse das bei ihm delikate Vorstellungen aus. Wir wiesen damals darauf hin, dass es tatsächlich Begriffe gibt, die man nicht allzu wörtlich nehmen darf: Wenn beispielsweise die Kirchgemeinde zum Seniorenessen einlädt, ist man gut beraten, geistig locker zu bleiben.

Das menschliche Gehirn versteht es auf einzigartige Weise, unvollständige Informationen zu verstehen beziehungsweise Informationslücken aufzufüllen. Es funktioniert diesbezüglich wie ein Bereichsreparaturpinsel in einem Fotobearbeitungsprogramm. Kurz für jene, die nicht wissen, was das ist: Mit diesem Werkzeug kann man auf einer Weide eine Kuh, auf der Greina-Ebene einen Wanderer oder auf einem Gesicht ein Bibeli zum Verschwinden bringen – einfach darüber fahren, und weg sind die störenden Dinge. Im Fall des Bibeli benötigt der Pinsel dazu «reine Haut» aus der Umgebung – selbstverständlich nur in Form virtueller Pixel.

(Was die Ask-Force jetzt brauchen könnte, ist ein Pointenpinsel.)

Askforce Nr. 682
27. Oktober 2014