Eintausend Mal hatte die Askforce über die letzten zwei Jahrzehnte hinweg mit ihren Antworten immer das letzte Wort. Sie hat dabei gelernt: Guten Antworten liegen gescheite, gewitzte, verblüffende Fragen zugrunde. Als Würdigung der guten Frage hört die Askforce am Stammtisch für einmal nur zu – und zwar Frl. A. Zoccoli aus B.
Es war keine Liebe auf den ersten Blick, nein. Der Umgang der Askforce mit ihren Fragestellenden war mir zu unflätig. Später – ich gab ihr zum Glück die Chance – lernte ich ihren eigenwilligen Humor aber verstehen und schätzen. Ihre stetige Aufforderung zum Fragestellen schärfte meine Wahrnehmung fürs Schräge. Bald schon servierte mir der «Bund» selbst eine erste Gelegenheit auf dem Silbertablett. Er schrieb: «…Dahinter stecken Knochenarbeit und Luftgespinste». Luftgespinste! Hirngespinste und Luftschlösser – welch lustiger Fehler! Dachte ich.
Die Askforce aber, hochgebildet wie sie ist, wusste natürlich – sie googelt ja nie! –, dass schon Matthias Claudius im 18. Jahrhundert den Begriff verwendete. Es war also kein Fehler. Und so zog sie genüsslich einen intellektuellen, belehrenden Exkurs durch. Die Antwort auf meine Frage im «Bund» zu lesen freute mich diebisch und weckte meinen Ehrgeiz. Wie atmet der Wurm im Apfel? Wie geht Mund-zu-Mund-Propaganda? Können hohe Absätze schmerzen? – Die Askforce wusste alles.
Aufgrund ihrer Schreibe stellte ich mir die Askforce als Männerrunde vor, die freitagabends im Restaurant bei einigen Bieren lachend viel Unsinn von sich gibt, – und dann zusammen daraus eine Kolumne destilliert. Wie gerne hätte ich vom Nachbartisch aus zugehört! Dieser Gruppe stellte ich meine Fragen. Ein askforce-spezifisches Denken verselbstständigte sich in meinem Hirn: Eine Frage gebar die nächste. Ob sie wieder antworten würde? Montagmorgens sah man mich die Zeitung schon draussen am Briefkasten durchblättern, innehalten, lesen – und oft auflachen.
Der «Dialog» mit der Askforce prägte meine Aufmerksamkeit im Alltag immer mehr. Es entwickelte sich eine spezifische Wahrnehmung von Nebensächlichem, dem sich eine Besonderheit abringen liess. Ich entdeckte im Alltäglichen mehr Schräges als zuvor. Zunehmend erkannte ich Dinge, über die ich mir zuvor nie Gedanken gemacht hatte: «Das wäre eine Frage für die Askforce!». Zwangsläufig wurde auch mein Umfeld infiziert. Oft bekam ich zu hören: «Frag das doch deine Askforce!».
Besonders stolz war ich auf Kolumnen, die ich für besonders gelungen hielt. Nie wäre ich auf diese vertrackten Antworten gekommen! Erhielt ich jedoch lange keine Antwort auf meine Fragen, irritierte mich dies. Eine Beziehung! Aber ich kannte ja die Schreibenden – diese «Männergruppe mit Bier» – nicht. Und sie kannten mich nicht, denn wegen der zu erwarteten Unflätigkeiten schrieb ich unter Pseudonym. Dieses gab keinen Aufschluss auf mein Geschlecht; das war Teil des Spiels. Glaubte sich die Askforce sicher, dass ich eine Frau sei, versuchte ich, «männlich» zu fragen. Dies schien zu gelingen: Mal waren die Antworten an «Herrn», dann wieder an «Frau» Zoccoli gerichtet. Ein Flirt.
Die Art der Kolumne ist einmalig: Aufs mutwillige Falschverstehen der Frage folgen skurrile Gedankenkapriolen, die erstaunlicherweise – fast – immer in intelligente, gebildete Aussagen mündeten. Diese Exkurse, all dieser denk-würdige, sinnreiche Nonsens prägte über Jahre meinen Montag. Nach dem Abschied der Askforce aus dem «Bund» fragte ich mich: Wohin nun mit den Fragen? Ich muss mich jetzt selber fragen. Aber taugt das fragende Selbstgespräch? Bislang nicht. «Liebe Askforce: Kann man sich selbst fragen? Wer fragt wen, wenn man sich selbst fragt? Wen fragt man dabei? Ist man mehrere?»
A. Zoccoli