Kürzlich titelte der «Bund»: «Karotte bleibt Königin». Ihr Königinnendasein verdankt dieses schmackhafte Wurzelgemüse nicht göttlicher Gnade oder der Zugehörigkeit zu einer Herrscherdynastie, sondern ihrer Volkstümlichkeit. Denn, so hiess es in dem Artikel, die Karotte sei «das populärste Gemüse», jeder Schweizer und jede Schweizerin verzehrten davon jährlich 7,91 Kilogramm. Das ist immerhin eine Tagesration von 21,7 Gramm!

Doch ein gewisser Bruno L. möchte die Königin gerne vom Thron stürzen, weil sie sprachlich in Helvetien nicht verwurzelt sei. Gut, Bruno L., der kein Abonnement hat, aber den «Bund» täglich zum Feierabendbier liest (es gibt offenbar noch einschlägige Restaurants, wo man Wert auf ein gut sortiertes Postillenangebot legt), Bruno L. also hat es anders ausgedrückt: «Meine Frage ist, wo in aller Welt wird die Möhre Karotte genannt? In der Schweiz spricht man doch überall von Rüebli, oder irre ich mich da?»

Wir könnten jetzt zustimmen und sagen: Ja, Herr L., Sie irren sich gewaltig, denn von Rüebli wird nur in der Deutschschweiz, aber nicht in der Romandie oder im Tessin gesprochen. Aber das wäre billig, und das hat die Askforce nicht nötig. Wir sagen also: Sie irren sich überhaupt nicht und haben ganz und gar recht! Bei der ersten Frage, wo in aller Welt die Möhre Karotte genannt werde, können wir uns kurz fassen: vielerorts im deutschen Sprachraum. Wir können auch bestätigen, dass der «Bund» ein Wiederholungstäter ist, denn binnen eines Jahres wurde rund 20 Mal von Karotten berichtet. Wenigstens obsiegte das Rüebli mit 25 Erwähnungen im gleichen Zeitraum. Das Rüebli behält die Vorherrschaft, wenn auch eher knapp. Die Invasion der Killer-Karotten ist vorerst abgewendet.

Wir rufen gerne zum (sprachlichen) Karotten-Boykott auf, denn wir wollen ja nicht plötzlich in Modeheftli von Karottenjeans geschockt werden oder ein Rezept für eine Karottentorte in der Zeitung lesen, oder? Halt, da war doch kürzlich etwas. Tatsächlich druckte ein Sonntagsblatt im März völlig skrupellos ein Rezept für eine «Karottentorte mit Marzipan-Rüebli» ab. Warum nicht gleich «Rüeblitorte mit Marzipan-Karotten»? Gut, die Seite war nur semiredaktionell, denn sie entstand in Zusammenarbeit mit einem Grossverteiler, der sich zumindest farblich an Rüebli anlehnt.

Es lassen sich zahlreiche Gründe anführen, warum man auf das Wort Karotte verzichten sollte. Die Karotte erweckt den Eindruck, nicht mehr frisch (verrottet) und verarmt (bankrott) zu sein. Zudem könnte man auf den falschen Gedanken kommen, das Gemüse rotte sich vorwiegend im Wallis zusammen (Rhone = Rotten). Zudem erinnert das Wort an eine Garrotte, ein Hinrichtungsinstrument, das in Spanien lange in Gebrauch war. It’s the language, stupid! So lautet ein altes Journalistensprichwort, das auch erklärt, warum die Karotte den Titel der Meldung zierte. Das Rüebli ist ein Neutrum, und damit funktioniert es einfach nicht: «Rüebli bleibt das Königli?» Für eine solche Schlagzeile wollen wir keine Verantwortung übernehmen.

Askforce Nr. 854,
14. Mai 2018