Sind Velokuriere Engel?

«Sind Velokuriere keine wirklichen Menschen, sondern Engel?» In solch ehrbezeugender Rede richtet Verena L. aus Bern ihre Frage an die Askforce. Velokuriere sind für sie «eine bewundernswerte Spezies», denn sie fahren «geschickt und behände überall durch, wo sie wollen». «Sie scheinen übernatürliche Fähigkeiten zu haben, nie wird’s gefährlich», sinniert Verena L., und fügt an: «Würde ich so fahren, weilte ich längst nicht mehr unter uns, sondern würde das auf meinem Wölkchen üben, aber wohl auch dort nie ihr Können erreichen.»

Die Askforce gestattet sich zwei Vorbemerkungen. Zum Ersten eine (Gratis-) Lektion in Logisch-Denken: Was wären Sie denn, Frau L., anderes als ein Engel, wenn Sie auf einem Wölkchen übten? Und damit womöglich eine Velokurierin! Somit müssten Sie deren Fahrweise nicht mehr üben. Zum Zweiten: Wie gelangen Sie zur Aussage, dass Sie «unter uns» weilen? Denn zu Uns können Sie sich nicht zählen – da sprechen Wir von der Gnade der niedrigen Geburt. Seien Sie froh, denn Uns anzugehören, wäre eine Last. Eine Last der alles umfassenden Verantwortung. Aber vielleicht haben Sie «unter uns» strikte hierarchisch verstanden – damit hat ja alles seine Ordnung.

Nun zu Unserer Antwort: Wie Sie oben erkennen können, Frau L., gibt es unter Menschen extreme Leistungs- und Begabungsunterschiede: Langschläfer und Insomnistinnen, Dyskalkulisten und Mathematikgenies, Bastlerinnen und Feinmechaniker, Marathonläuferinnen und Couch-Potatoes – ja, und auch: Fahrrad-Dummies und Velovirtuosinnen. Der Prototyp Ersterer trägt Cargo-Hose, Wanderschuhe, Leuchtgamaschen beidseitig, Leuchtweste, Helm mit Regenüberzug, auch bei Sonnenschein. Leichte Rücklage auf dem notorisch zu tiefen Sattel. Fahrstil: übervorsichtig, ungeschickt, vor lauter Handzeichen stets am Schwanken, auch beim häufigen, aufgeregten «Vogelzeigen». Beim Einmünden in Kreisel regelmässig am rechten Rand blockiert, schimpfend wie die ansonsten ausgestorbenen Rohrspatzen.

Diesen Extremfiguren stehen die eleganten Velokuriere gegenüber – Künstlerinnen der Strasse, die in einer geradezu mythischen Blase der Unverletzlichkeit durch den Verkehr tänzeln. Sie fallen nicht nur durch ihre unnachahmliche Ästhetik auf, sondern auch dadurch, dass sie immer öfter in der Mehrzahl sind. Denn zahlreiche Fahrrad-Dummies, die es ihnen nachtun wollten, sind heute: auf dem Wölkchen, zu dem Sie, Frau L., klugerweise Abstand halten. Offensichtlich passen Sie Ihre Fahrweise Ihrem Können an. Grosse Goldmedaille der Askforce – wir bieten Ihnen hiermit das äusserst begehrte «Wir» an!