Wenn es nachts lärmig ist, plagt das den rechtschaffenen Bürger. Er muss ja Nacht für Nacht schlafenderweise seine Schaffenskraft reproduzieren – der Gesundheit und der Volkswirtschaft zuliebe. Entsprechend sensibel reagieren Mensch und Ökonomie auf nächtlichen Lärm. Die Debatte dazu folgt stets der Frage: Wer ist schuld, wenn der Schallpegel steigt?

Unserer aufmerksamen Leserin A. Z. ist eine neue, dramatische Wende in der Lärmdiskussion nicht entgangen. Sie gehört zu den wenigen, die die Tragweite eines im «Bund» vom 26. Juli 2016 erschienenen Zitats zu erahnen vermochten. Nach den Ursachen für den hohen nächtlichen Schallpegel befragt, erklärte nämlich der SVP-Politiker Erich Hess: Der Grund für den Lärm sei das schöne Wetter. Frau Z. fragt erschrocken: «Kann also auch schönes Wetter Lärm machen?» Sie richte sich mit dieser Frage an die Askforce, weil sie selbst «von Meteorologie wohl weniger versteht als der Zitierte».

Lärmwetter: Ein wahrlich arg unterschätztes Umweltproblem! Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum die Wissenschaft – und das Bundesamt für Umwelt! – das lärmende Schönwetter in so sträflichem Masse ignoriert haben, obwohl es schon seit Jahrtausenden – eventuell sogar schon seit Jahrmillionen – Wetter gibt! Hier wartet auf die Meteorologen der Zukunft noch viel Arbeit.

Nun zur Anfrage im engeren Sinn. Frau A. Z. handelt richtig: Kompetente Fragen muss man an kompetente Instanzen richten. Im vorliegenden Fall ist freilich der zitierte Experte der wahre Experte. Die Askforce schob deshalb für einmal kurz ihr eigenes Wissen beiseite und suchte – sich als Dienstleisterin für die verunsicherte Öffentlichkeit verstehend – das klärende Fachgespräch mit Erich Hess. 0 – 7 – 9 – 3 – 2 – 8 – 7 – x – x – x. Dring, dring, dring, dring: «Ja, Hess Erich?»

Askforce: Schönen guten Tag, Herr Hess, wie ist das Wetter bei Ihnen?

Hess Erich: Gut. Es ist recht warm, leicht bewölkt. Aber insgesamt relativ schön.

Dann muss es also insgesamt auch relativ lärmig sein?

Natürlich. In einer linken Stadt ist es halt lärmig. Sie wissen ja: Wo viel Alkohol und Drogen konsumiert werden, entsteht viel Lärm.

Bitte! Bleiben wir ganz streng bei der Wetterkunde, Herr Hess. Wann hat Ihnen das Wetter letztmals in den Ohren so richtig wehgetan?

Das war, als es letzthin so richtig blitzte und donnerte.

Ein Gewitter! Ganz schlecht. Dann ist also das schöne Wetter doch unschuldig…

Nein, nein, das schöne Wetter hilft natürlich die Wetterlage aufzuladen. Es ist also trotzdem am Lärm schuld.

Aber sie lüfteten im «Bund» doch das Geheimnis, das schöne Wetter selbst mache Krach. Ist ja denkbar: das Knirschen von berstenden Isobaren, das Wummern der aus dem Weltall ungebremst auf die Erde donnernden Globalstrahlung?

Nun, Sie dürfen die Grillen und Frösche nicht unterschätzen. Die können einen rechten Mais machen.

Rechter Grillenlärm? Das ist ja echt unmenschlich. Dann werden Sie bestimmt eine Schönwetterverbotsinitiative für Bern lancieren müssen?

Wer weiss. Aber es ist halt so: Die Sonne muss manchmal wieder hervorkommen und schauen, wo hingeregnet werden muss.

Wir lernten bisher: Schönes, sonniges Wetter kann lärmen. Das heisst also weitergedacht: Überall, wo ein Sünneli drauf ist, ist automatisch vor allem Lärm drin?

Nein, nein, nicht automatisch! Überall, wo ein Sünneli drauf ist, ist vor allem Freude und Qualität drin! Wir stehen auf der Sonnseite.

Und Sie sind der Chef-Wetterfrosch Ihres Vereins?

Wir machen Realpolitik und brauchen keinen Wetterfrosch.

Aber Sie müssen doch wenigstens wissen, woher der Wind weht?

Mir ist es am liebsten, wenn ich bestimmen kann, in welche Richtung der Wind weht.

Sie machen den Wind also selber?

Zwüschdüre muess me das – zum Beispiel, um die Wolken am Himmel wieder fortzurücken.

Das von Wetterfachmann Erich Hess autorisierte Gespräch mit dem Askforce-Expertenausschuss wurde am 19. August geführt – bei 23,2 Grad Celsius, 64,0 Prozent Luftfeuchtigkeit, Windböenspitzen von 13 km/h, 1010,2 Hektopascal Luftdruck und einer Sonneneinstrahlungsintensität von 992 Watt/m2.

Zurück zu Ihnen, Frau A. Z.: Gut haben Sie gefragt. Obwohl wir es nur ungern zugeben, müssen wir nämlich unumwunden einräumen: Punkto der Kontamination durch Schönwetterlärm hatten auch wir bislang die Grillen und Frösche völlig unterschätzt. Auch die Entstehung lauer Lüftchen stellten wir uns bis heute anders vor.

Askforce Nr. 771,
22. August 2016