Wollen wir die Frage von Pierre D. aus U. verstehen, müssen wir zunächst wissen: Es gibt die Begrenzungsinitiative und laut Umfragen sieht es für sie düster aus. Herr D. will nun wissen, ob die Initianten nur deshalb schlechte Chancen haben, «weil sie zu wenig bibelfest sind».
Herr D. stützt sich dabei auf Aussagen von SVP-Mann Albert Rösti, der im Radioäther (SRF1, 21. August, 13 Uhr) klagte, die Abstimmung sei zum «Kampf ‹David gegen Goliath› geworden». Hier die einsame SVP (David), dort die Übermacht der anderen (Goliath). Herr D. findet: «Als wählerstärkste Partei und mutmassliche Verliererin ist die SVP doch klar Goliath: zwar sehr stark, aber halt am Boden.»
Die Askforce findet solch hämisches Genörgel bemühend. Mit etwas Empathie ist nachvollziehbar, dass sich eine Partei angesichts eines drohenden Flops nach einem Wunder sehnt. Wenn sie als Wahrerin der christlich-abendländischen Schweizer Kultur dabei auf biblisches Personal zurückgreift (David, 1. Buch Samuel, 17, 1-58), so hat das auch etwas Naheliegendes. Übrigens orientieren sich weiss Gott nicht nur Rechtsbürgerliche an der Kampfszene aus «David vs. Goliath».
Die weitere Exegese zeigt aber, dass David für gute Demokraten ein mega problematisches Vorbild ist. Vor dem spektakulären Finish hatte der biblische David ja ein paar auferlegte Prüfungen zu bestehen, die aus heutiger Sicht etwas befremdlich wirken. So wurde ihm aufgetragen, im Kampf mit den Philistern 100 Vorhäute zu erbeuten. Doch er erbeutete deren 200. Er war gewissermassen der «Schnäbizägg» in extremis. Aber welche Vorbildwirkung entfaltet die damalige Handlung heute? Wozu um Himmels willen soll man möglichst viele gegnerische Zipfelchen erbeuten? David begnügte sich zudem nicht mit dem Siegen, sondern säbelte Goliath auch noch gleich den Kopf ab. Solcher Blutrausch ist heute eher das Ding von IS-Irrgeistern, während das Köpfen hierzulande schon länger nicht mehr zum gängigen Repertoire des politischen Disputs gehört.
Item. Weil die Askforce heute rein belehrend und pointenfrei geblieben ist, geben wir zum Schluss dem partizipatorischen Journalismus eine Chance und fragen zurück: Was wäre denn anstelle von David und Goliath das angemessenere Bezugspaar? Tell und Gessler? Tom und Jerry?
Askforce Nr. 971,
21. September 2020