Oh-Oohh-Ozean
Eine Seele von Mensch scheint unsere heutige Fragerin, Ruth Sch. aus Kirchberg, zu sein. Nicht nur ist sie eine generöse Gönnerin der Askforce. Sie zeigt auch Mitgefühl mit der «armen See». Bei der «vielleicht poetisch» tönenden Formulierung «Ein Schiff sticht in die See» schaudert es sie. Das beim ohrenkundig brutalen Akt vermutete Weh der See versetzt ihr einen Stich in die Seele. «In Erwartung einer tröstlichen Antwort» fragt Frau Sch.: «Warum, wozu und womit sticht ein Schiff in See?»
Google könnte die Frage in Sekunden klären. Aber natürlich hat unsere Fragerin gut daran getan, sich damit an die Askforce zu wenden. Denn wir haben die Musse, die scheinbar einfache Frage in unser Bewusstsein plumpsen zu lassen wie einen Stein ins Wasser und ihr dabei zuzusehen, wie sie immer weitere Wellenkreise zieht. Denn sogleich stellt sich die nächste Frage: Ist die See ein empfindsames Wesen? Und wenn ja – wie viele? (Bei Interesse beantworten wir gerne die Frage, wieso es eine Nord-, Süd- und Ostsee, aber keine Westsee gibt.) Dass die See wohl eine komplexere Psyche hat als ein Henniez grün, dürfte auch psychologischen Landratten einleuchten. Fachleute vermuten gar eine multiple Persönlichkeitsstörung. Immerhin ist sie gleichzeitig Hoch- und Tiefsee.
Klar ist nur: Ruth Sch.s Frage steuert uns in unbekannte Gewässer. Noch harrt die Empfindungslandschaft der See ihrer Kartografierung. Weshalb wir keinen blassen Schimmer haben, was die See empfindet, wenn sie sanft an die kubanischen Strände brandet. Ist sie kitzlig? Fühlt sich das Kraulen einer Pedaloschaufel in der Adria für sie angenehm an? Oder lästig wie eine Fliege auf nackter Haut? Bereitet es dem Pazifik Vergnügen, am Cobble Beach «Fangis» mit den glatten Kieseln zu spielen? Ja, verspürt die See gar Lust? Ist das Reiben, Lecken, Anstürmen an Küsten und Klippen in Wahrheit ein Vorspiel? Wirft sich der Atlantik etwa nicht aus blinder Wut gegen den Leuchtturm von Jument in der Bretagne, sondern aus purer Ekstase? Oh-Oohh-Ooohhhzean? Eine befriedigende Antwort vermag auch die Askforce nicht zu geben, obwohl sie sonst in jedem Hafen eine Antwort kennt.
Aber wir haben uns abtreiben lassen. Darum hier die Antwort, die – wie von unserer Fragerin erhofft – tröstlich ausfällt. Der Ausdruck «in See stechen» kommt wohl aus der niederländischen Seemannssprache. Wenn die Seeleute ein kleines Beiboot mit Hilfe einer Ruderstange vom Schiff oder vom Ankerplatz abstiessen, nannten sie das «afsteken», abstechen. Von daher leitet sich übrigens auch der Ausdruck «einen Abstecher machen» – «een afsteker maken» – ab. Auch wenn die heutigen Ozeanriesen statt Ruderstangen bullige Schlepper brauchen, um abzulegen – in See stechen sie nach wie vor, tun ihr aber, zumindest sprachlich, dabei nicht weh.
Askforce Nr. 1171
24. März 2025
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