Noch da: Der Rand von Ostermundigen

Viel wurde gerätselt, warum nur, warum die Ostermundiger Stimmbevölkerung unlängst die Fusion mit der Stadt Bern abgelehnt hat. Für Thomas S. aus O. (😉) steht fest: «Der eigentliche Grund fürs Ostermundiger Nein war ‹der Rand von Ostermundigen›: Der wäre verschwunden. Ein zu grosser Verlust.»

Die Askforce diskutierte intern zuerst auf der Metaebene. Denn was Herr S. in die To-do-Liste der Askforce slidet, ist keine Frage, die nach unserer Weisheit lechzt. Sondern, getarnt als Zitat, «Randbemerkung», eine waschechte Antwort. Nur ist für Antworten, mit abschliessender Gebärde, die Askforce zuständig. Meint da etwa einer, es besser zu wissen als Berns und Ostermundigens Fachinstanz für alles?

Doch dann wurden wir gewahr: Der Nicht-Fragesteller will keine Randale. Er ist ganz einfach literarisch gebüldet und spielt auf Franz Hohlers Kurzgeschichte aus den 1970er-Jahren mit dem Titel «Der Rand von Ostermundigen» an. Sie handelt davon, wie ein Satz sich verselbstständigt und schliesslich alles beherrscht.

Telefoniert jemand jemandem, egal wo in der Schweiz, ist immer zuerst der Mann dran, der das Telefon am Rand von Ostermundigen bedient. Er meldet sich mit den Worten: «Das ist der Rand von Ostermundigen.» Bald sagt auch der Metzger, der seiner Kundin ein Stück Fleisch zeigt: «Das ist der Rand von Ostermundigen.»

In der Zeitung steht jeden Tag irgendwo, zum Beispiel neben den Todesanzeigen oder in der Bildlegende zu einem Velorennen: «Das ist der Rand von Ostermundigen.» Mit der Zeit kann kein Mensch mehr etwas sagen, ohne dass alle sofort an den Rand von Ostermundigen denken.

Telefon, Fleisch, Zeitung: Das ist zwar alles sehr Seventies. Doch es geht um die Macht der Sprache, die Hohler auf seine unnachahmliche Art darstellt. Das ist zeitlos und weiss der Askforce selbstredend sehr zu gefallen. Ostermundigen freilich dürfte der Autor vor allem wegen der drolligen Ortsnamen-Phonetik auserkoren haben, weniger aufgrund einer irgend gearteten sonstigen Bedeutung.

Jahrzehnte später hat die Realität die Fiktion, ja Groteske eingeholt. Identitätsfragen dominieren den Diskurs. Der Rand von Ostermundigen ist zum Politikum geworden, und an der Urne riefen sie tatsächlich tausendfach: Das ist und bleibt der Rand von Ostermundigen. Subtext: Berner Stapi, halt den Rand!

Insofern lassen wir den Input von Thomas S. aus O. gelten. Wir kommen damit zurande. Ostermundigen hoffentlich auch. Alles Gute jedenfalls.

Askforce Nr. 1107,
8. Januar 2024