Leben im Spiegel ist voll 3-D

«Liebe Askforce», schreibt Herr S. W., «von Kuno Lauener wird im ‹Bund› behauptet, er sei im Spiegel aufgewachsen. In welchem Alter löste sich der Sänger aus dem Spiegel, um in die dritte Dimension hinauszutreten?»

Zuerst, sehr geehrter Herr W., müssen wir festhalten, dass der «Bund» keineswegs dazu neigt, etwas zu «behaupten». Erstens ist er an sich nichts anderes als ein Bündel Papier – daher auch der Name. Und ein Papierbündel behauptet generell nichts. (Falls nun jemand behaupten sollte, der Name «Bund» leite sich von seinem Standort in der Bundesstadt ab, dann kontern Sie bitte souverän mit: «Das verhält sich gerade umgekehrt.» Dankeschön.) Zweitens stimmt alles, was in der Zeitung steht.

Wenn also der «Bund» schreibt, Kuno Lauener sei im Spiegel aufgewachsen, hat das seine Richtigkeit. Schade, dass Sie uns nicht gefragt haben, was denn das Spezielle an einer Kindheit im Spiegel ist. Wir haben uns nämlich bei weiteren Betroffenen erkundigt (der Kuno war ja nicht alleine; und noch heute gibt es Kinder, die im Spiegel aufwachsen (müssen)). Ergebnis: Kinder aus dem Spiegel finden ihr Schicksal, so die verbreitetste Antwort, «überhaupt nichts Spezielles. Höchstens, dass man blöd angeschaut wird, wenn man sagt, man lebe im Spiegel.»

Dass gerade aus dem Spiegel Stammende ihre Kindheit schnöde als völlig uninteres­sant einschätzen, beurteilen Sie, Herr W., sicher als psychologisch höchst bedenkliche, verdrängende Verharmlosung. Ihre Sorge in Ehren, aber auch eine Jugend im unteren Gürbetal oder in Muri-Gümligen wird von Betroffenen in der Rückschau meist als «nichts Spezielles» wahrgenommen. (Wir haben breit recherchiert.)

Zweitens sind auch die Leute im Spiegel samt und sonders dreidimensional (sogar die Bundesrätin, auch wenn wir sie meist nur zweidimensional im TV sehen). Die Körper­lichkeit der Spiegel-Population haben wir nicht nur handgreiflich erforscht, wir können sie auch abschliessend beweisen:

1. ist Kuno Lauener «ein Star zum Anfassen». (Der übrigens im Laufe seiner Adoleszenz aus dem heimatlichen Spiegel ausgezogen ist. Normal, Mann.)

2. Stellen Sie sich vor den nächstbesten Spiegel, Herr W. Sehen Sie sich? Jetzt greifen Sie sich an die Nase. Und? Sie sind im Spiegel, und Ihre Nase ist trotzdem voll 3-D, stimmts?

3. Steigen Sie in den Bus Nummer 19 (oder 16, falls Sie sich in Köniz aufhalten) und fahren Sie bis zur Haltestelle «Spiegel». Daselbst empfiehlt es sich, bei Frau Heinlein in der gleichnamigen Confiserie eine – wir raten: möglichst grosse! – Packung (kugelrunde, dreidimensionale!) «Baileys-Kugeln» zu kaufen und alsbald die erste davon zu geniessen.

Nie mehr, Herr W., werden Sie ein Leben im Spiegel für flach halten.

Askforce Nr. 660,
19. Mai 2014