Komplett oder nicht komplett?

Eigentlich sei die Angelegenheit tragisch, schrieb uns Frau Sch. aus Kirchberg vor einigen Wochen: «Da steckt ein Höhlenforscher verletzt in einem tiefen Loch, und die Retter hoffen, dass sie ihn ‹komplett› rausholen können.»  

Diese eigenwillige Formulierung, die sie in einem Gratisblatt gelesen hatte, löste bei Frau Sch. folgende Frage aus: «Würden die Retter den Forscher – im schlimmsten Fall – auch teilweise rausholen und dann wieder zusammensetzen?»

Der Kontext in aller Kürze: Am 2. September 2023 hatte ein Forscher in der
Morca-Höhle (Südtürkei) eine Magenblutung erlitten – 1250 Meter unter dem Boden. Die extrem aufwendige Bergungsaktion, die schliesslich gelang, dauerte etwas mehr als eine Woche. 

Die Frage von Frau Sch. zeigt beispielhaft, wie alert und beweglich unsere Leserinnen und Leserinnen sind. Und vor allem: Wie sie es schaffen, einen Text zu lesen und gleichzeitig einen geistigen Korrekturmodus laufen zu lassen. Dieser erlaubt es ihnen, Fehler aller Art sowie Passagen, die Askforce-würdige Fragen enthalten, nicht nur zu detektieren, sondern auch grad mit dem inneren Filzstift zu fetten.

Ihre Frage, Frau Sch., ist wie gesagt beispielhaft, aber nicht sehr schwierig. Wie Sie sicher aus Erfahrung wissen, bestehen Männer nicht aus Legosteinen. Wäre dem so, könnte man einen Mann leicht in die Einzelteile zerlegen, durch eine schmale Durch­reiche schütten und auf der anderen Seite wieder komplett zusammenbauen. Wichtig wäre, die Bauanleitung mitzuliefern. Das LEGO-Set «Kranker Höhlen­forscher auf klappbarer Rettungstrage» (7’369 Teile) wäre bestimmt sehr beliebt (bei Frauen).  

Von einem richtigen Mann hingegen kann man nicht viele Teile abschneiden, ohne dass er kaputtgeht. Den Bart, die Rückenhaare, die Zehennägel: Aber sonst? In der Literatur sind Männer mehrmals zerlegt worden. Zum Beispiel in der Erzählung «Die vertauschten Köpfe» von Thomas Mann. Aber wie der Titel es verrät, ging beim Zusammenbauen etwas schief.

Einen schlimmen Fall für unseren armen Höhlenforscher kann man sich leicht vorstellen. Die Retter ziehen ihn mit einer Seilwinde heraus, merken aber nicht, dass er (Achtung: es folgt eine möglicherweise verstörende Textstelle) mit den Beinen hängen geblieben ist.

So tragisch ist das aber nicht. Der Höhlenforscher liesse sich recht einfach wieder zusammenbauen. Das Know-how ist so alt wie der Zaubertrick «Die zersägte Frau». Das dazugehörige LEGO-Set (2 Teile) ist bei Männern sehr beliebt.

Askforce Nr. 1101
27. November 2023