Kann man sich auch ins Leben stürzen?

Im «Bund» habe sie die Nachricht gelesen, zwei Bergsteiger seien in den Tod gestürzt, schreibt uns Frau Lil. Küpfe. aus Ittigen. Nun habe sie eine «Tschuder­frage»: «Wo wartete der Tod auf sie????» Frau Küpfe. stellt aber nicht nur eine Frage mit vier Fragezeichen, sondern noch eine zweite mit einem. «Kann man sich auch ins Leben stürzen?»

Ach, ist das wieder einmal schwierig!!!! Wir stellen fest, dass es offenbar immer mehr Leute gibt, die nicht einfach nur kritisch lesen, sondern mit einer hinter­fragenden Grundhaltung ans Werk gehen, die Inhalt und Sprache umfasst.
«In den Tod stürzen»: Diese Redewendung gibt es doch schon ewig, Frau Küpfe.! Wir fragen uns deshalb, warum Sie diese plötzlich hinterfragen? Spüren Sie nicht, wie eine solche Ausdrucksweise die Brutalität eines derartigen Unglücks ein wenig zu dämpfen versucht? Und wo bei einem Absturz der Tod wartet, ist doch jeder und jedem klar. Genauso klar ist es, dass der Tod dort nicht wirklich wartet.

Das sind Widersprüche, wie es sie im Leben und damit in der Sprache gibt – und die es auszuhalten gilt. Die Kunst besteht darin, die Grenze zu erkennen, hinter der das Hinterfragen selbst hinterfragt werden sollte. Wer sich zum Beispiel fragt, ob es nicht endlich an der Zeit wäre, die Normalspurbreite bei Eisenbahnen zu über­denken und gegebenenfalls anzupassen, ist nicht mehr weit von der Frage entfernt, warum ein Meter eigentlich genau einen Meter lang ist.

Wir sagen damit ja nicht, es sei nicht faszinierend, ein paar der Pforten, die in das uns unsichtbar umgebende Reich des Abseitigen, Abwegigen und Absurden führen, dann und wann einen Spaltbreit zu öffnen. Aber meist bringt es nichts. So wie unsere Idee nichts brachte, Ihren Namen für einmal anders abzukürzen. Statt die Initialen zu verwenden, haben wir die letzten Buchstaben weggelassen – die aufwühlende Symmetrie, die dahintersteckt, ist nicht sofort erkennbar, müssen wir kleinlaut zugeben.

Fazit: Stürzen Sie sich ins Leben, Frau K., so oft wie möglich. Das geht nämlich ganz gut. Sie dürfen es nur nicht zu wörtlich nehmen. Denn es gibt sie schon, die Leute, die sich allzu ungestüm ins Leben stürzten und dabei den Tod fanden – obschon dieser noch gar nicht auf sie warten wollte.

Askforce Nr. 873,
1. Oktober 2018

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