Als aufmerksamer Bürger in einer Welt, in der immer mehr über Sport gesprochen wird, ohne dass alle Bürgerinnen und Bürger diesen auch verstehen würden, wendet sich Rolf H. aus Köniz mit einer Frage aus ebendieser Sportwelt an die Askforce: «Bei Sportveranstaltungen landen immer wieder Teilnehmer auf dem ‹undankbaren vierten Platz›. Meine Frage: Ist ein fünfter oder sechster Platz dankbarer?» Und ganz grundsätzlich fragt Herr H.: «Kann ein Platz überhaupt undankbar sein?»

Lieber Herr H., es ist wissenschaftlich bewiesen: Wer auf dem ersten Platz landet, ist sehr zufrieden mit sich und seiner Leistung. Wer Dritter wird, auch. Wer aber Zweiter wird, ist unzufriedener als die Person, die es auf den dritten Rang schaffte. Warum? Weil Zweitplatzierte damit hadern, die Goldmedaille verpasst zu haben, Drittplatzierte hingegen froh sein können, es überhaupt aufs Podest geschafft zu haben.

So gehts denn auch weiter mit der Psyche der Sportlerinnen und Sportler: Viertplatzierte ärgern sich blau und grün. Nur wenige Punkte/Hundertstelsekunden/ein verlorener Ball/eine einzige Niederlage – je nach Sportart – trennt sie von der Medaille. Darum sind fünfte und sechste Plätze dankbarer: Wer auf diesen Rängen figuriert, wurde klar auf seinen Platz verwiesen und wird in seinen Träumen nicht vom kleinen Fehler, der eine bessere Rangierung verhinderte, verfolgt. Die Leistung hätte deutlich besser sein müssen, damit es zu einer Medaille gereicht hätte.

Sie sehen: Der Mensch liegt lieber klar als nur knapp daneben. Gleiche Mechanismen können Sie auf der politischen Bühne beobachten. Hier heisst die Rangliste «gewählt – nicht gewählt». Nur ist dort alles einfacher: Gewählt ist gewählt. Und bei der Beurteilung der undankbaren Ränge kommt eine Zusatz-Befriedigung dazu: Zwar wurde die Politikerin, der Politiker nicht gewählt, ist jedoch erster Ersatz: Steigt die Goldmedaillengewinnerin aus, rutscht die Person auf dem undankbaren vierten Platz nach. Und wer ganz abgeschlagen ist, kann tun, als sei er eh nur als Listenfüller angetreten. Im Sport hingegen ist klar: Wer zum Wettbewerb startet, tut dies, um zu gewinnen. Sie sehen: Die Welt des Sports ist härter als die Welt der Politik.

Zur Frage, ob ein Platz undankbar sein kann, stellen wir eine Gegenfrage: Kann das Wetter schön sein? Das Ergründen der unerklärlichen Verwirrungen und Irrungen der deutschen Sprache überlassen wir Ihnen, Herr H.

Askforce Nr. 313,
2. April 2007