Es gelte den inneren Schweinehund zu überwinden: Diese Wendung hört Frau Susanne S. aus B. nach eigenem Bekunden «fast tagtäglich» – meistens von männlichen Kollegen, «die mit ihren bei Lichte betrachteten stinkelangweiligen Plackerei plagieren», wie etwa «Pässefahrten mit dem Velo, Überstunden scheffeln am Samstagnachmittag, Altglas selber entsorgen und andere Meisterleistungen». Zudem werde auch im Rahmen der breiten Bewegungsförderungskampagne des schweizerischen Staatsradios immer wieder dazu aufgerufen, den inneren Schweinehund zu überwinden. Selbst in der Kindersendung Zambo auf SRF 1 seien die Jüngsten ermutigt worden, dies zu tun.

Frau Susanne sagt, sie sei deshalb in sich gegangen, habe dabei aber kein Tier angetroffen, das an ein Schwein, einen Hund oder an die Kombination vom beidem erinnert hätte: «Hätte ich als Frau vielleicht nach der Sauhündin statt nach dem Schweinehund suchen müssen? Oder gibt es selten Menschen, die weder das eine noch das andere in sich tragen?»

Zum Glück gibt uns Frau Susanne die Chance, das Geschlechterspezifische nur am Rande zu behandeln. Die Fragestellerin gibt sich ja diesbezüglich gleich selber die korrekte Antwort: Ja, ein weiblicher innerer Schweinehund hiesse korrekt innere Sauhündin. Anfügen können wir noch, dass bei juvenilen Formen des Wesens von inneren Ferkelwelpen gesprochen werden müsste.

Ansonsten ist das Thema völlig nichtig. Denn: Es gibt keine inneren Schweinehunde (Sauhündinnen und Ferkelwelpen mitgemeint). Der innere Schweinehund ist letztlich nur eine Erfindung von äusseren Schweinehunden, die uns – oder Ihnen – einreden wollen, etwas zu tun, das wir – wenn wir uns wirklich frei fühlten – nicht wirklich tun würden.

Warum es tugendhaft sein soll, den inneren Schweinehund zu überwinden, ist nämlich völlig schleierhaft, denn immer gehts um ein fremdbestimmtes Ziel. Mal wird einem diktierten Schönheits- oder Fitnessideal nachgehechelt. Mal gehts darum, jeden inneren Widerstand niederzuringen und in irgendeinen feuchten Schützengraben zu klettern.

Apropos Schützengraben: Wollen wir die Wohlfühlzone vollends verlassen? Nun denn. Kultiviert und gefestigt wurde die Idee des Niederringens des inneren Schweinehundes von den nationalsozialistischen Kriegstreibern des Dritten Reiches. Wir können ja zur Gedächtnisauffrischung den SPD-Politiker Kurt Schumacher zitieren, der 1932 im Reichstag der NSDAP entgegenschmetterte: «Die ganze nationalsozialistische Agitation ist ein dauernder Appell an den inneren Schweinehund im Menschen.» Das eigentlich Herausragende des Nationalsozialismus sei, wie gut ihm «die restlose Mobilisierung der menschlichen Dummheit» gelinge.

Natürlich will die Askforce jene, die heute den Begriff «innerer Schweinehund» so locker und inflationär brauchen, nicht als leicht zu mobilisierende Idioten beschimpfen. Es geht hier eher darum, die Frau Susanne ein kleines bisschen zu ermuntern: Sollten Sie plötzlich doch noch Lust kriegen, einem widerwärtigen Wesen die Stirne zu bieten, dann wählen Sie doch bitte besser den äusseren statt den inneren Schweinehund, selbst wenn dies eine Prise Zivilcourage erfordern würde.

Askforce Nr. 713
22. Juni 2015