Immer längere Züge?
Sie, liebe Leserin, lieber Leser, erinnern sich bestimmt noch ganz genau daran, wo Sie waren, als am Montag, den 27. März 2023, das Askforce-Morgenmail bei Ihnen eintraf und Sie ganz unvermittelt einen Text über die Sektor-Einteilung in Bahnhöfen vor sich hatten. Es war ein Text, der die Logik hinter dem System mit den Buchstaben A bis D erklärte.
Gleichentags erreichte uns eine Zuschrift von Eliane S. aus Bern, die sich als «Bähnlerstochter» zu erkennen gab und uns Folgendes mitteilte: «Dieser Text scheint mir doch etwas veraltet, sieht man doch heute selbst an kleineren Bahnhöfen die Sektoren A bis G.» Sie stellte eine «logische Folgefrage»: «Warum sind die Sektoren heute kürzer? Oder sind die Perrons und Züge länger?»
Liebe Frau S., wir geben es kleinlaut zu: Die Sache mit den Sektoren ist voll an uns vorbeigegangen. Doch wir fragen uns selbst: Warum haben wir es nicht bemerkt? Vermutlich, weil es sich um eine schleichende Veränderung handelte. Bei der Eisenbahn lassen sich solche übrigens vielerorts beobachten.
Früher musste man in einen Zug einsteigen – heute kann man dank Niederflurtechnik und höherer Perrons eintreten. Früher konnte man die Türen noch aufreissen und wie im Wilden Westen auf einen abfahrenden Zug aufspringen. Man durfte rauchen, die Heizung selbst regulieren und die Fenster öffnen. Und warf man auf der Schulreise eine gläserne Passaia-Flasche in voller Fahrt frontal an ein Tunnelportal, hatten die Gspänli weiter hinten im Zug, die ebenfalls zum Fenster hinausschauten, eine Sekunde später feinen Glitzer im Haar.
Doch wir wollen die damaligen Freiheiten nicht verklären. Sicherheit und eine gute Gesundheit haben durchaus etwas für sich.
Darum zurück zur Antwort: Ja, Züge sind heute länger. Intercity-Kompositionen kommen locker auf 400 Meter. Längere Perrons und eine feinere Sektor-Einteilung sind die logische Folge. Und der Trend weist klar in Richtung noch längerer Züge. Vor anderthalb Jahren ist die Rhätische Bahn mit einem knapp zwei Kilometer langen Personenzug gefahren. Rekord.
Doch was, wenn ein Zug eines Tages hundert Kilometer lang sein wird? Zwischen Bern und Zürich müsste ein solcher Zug gar nicht erst fahren, weil er gleichzeitig an beiden Orten wäre. Das wiederum heisst: Würden Sie, Frau S., in Bern in diesen Zug einsteigen, wären Sie sogleich in Zürich. Irgendwie irre, finden wir. Aber doch logisch.
Askforce Nr. 1113
12. Februar 2024