Nur als Hilferuf können wir die Anfrage verstehen, die uns M. M. aus M. unterbreitet: «In letzter Zeit habe ich eine regelrechte Experteninflation festgestellt. In Zeitungen, am Fernsehen und im Radio geben sie mit ernstem Blick und sonorer Stimme Auskunft zu allen erdenklichen Themen.» Nun das eigentliche Problem: «Ich verliere den Überblick und weiss nicht mehr, wer für was zuständig ist. Können Sie mir helfen?»

Ja, wir können helfen. Wir offerieren sogar zwei Therapieformen. Je nach Diagnose drängen sich nämlich verschiedene Heilungsansätze auf: Entweder brauchen Sie einen zusätzlichen Experten, oder sie brauchen gar keine Experten mehr.

Variante 1: Wenn Sie angesichts der vielen Experten den Überblick verlieren und wenn Sie gleichzeitig leicht zufrieden zu stellen sind, drängt sich der Überblicksexperte auf. Solche Überblicks- oder Überexperten sind leider erst im Kommen. Sie sind nicht sehr kompetent, aber praktisch, weil sie zu allem eine Meinung haben. Umstritten ist derzeit noch das Auswahlprozedere solcher Überexperten. Vermutlich werden sie künftig an einer von Anton Ladner, Alan Guggenbühl und Filippo Leutenegger geleiteten Experten-Castingshow ermittelt. Sie sehen: Eine Lösung ist möglich, aber leider nicht sofort.

Variante 2: Der zweite Ansatz ist sofort umsetzbar, aber deutlich anstrengender. Er heisst: «Selber denken!» – und ist daher a priori nicht mehrheitsfähig. Wir skizzieren das Vorgehen trotzdem.

Erstens: Sie analysieren die Expertenaussagen. Dabei stellen Sie beispielsweise fest, dass Gewaltexperten finden, Gewalt sei ein untaugliches Mittel, um Konflikte zu lösen. Umweltexperten wiederum erklären, dass sich die Natur in einem verletzlichen Gleichgewicht befindet. Und Mobilitätsexperten wissen, dass sinnloses Herumblochen sinnlos ist. SCB-Experten wiederum finden heraus, dass das SCB-Leibacher-Transparent echt doof, ja sogar hirnwütig blöd war.

Zweitens: Sie merken dabei, dass wer ein bisschen nachdenkt, das alles eigentlich auch ohne äusseres Dazutun merkt. Ihnen wird somit klar, dass Experten heutzutage nicht unbedingt dazu da sind, unseren Erkenntnisstand zu erweitern, sondern Recht zu haben. Die moderne Gesellschaft hält sich also Experten als Ersatz für den eigenen gesunden Menschenverstand: Sie sind die Hohepriester der kollektiven Denkfaulheit oder die Feldherren im Reich der Rechthaberei.

Aus ökonomischen Gründen raten führende Wirtschaftskreise vom zweiten Lösungsansatz (selber denken) aber dringend ab: Unsere Volkswirtschaft erträgt derzeit keine Massenarbeitslosigkeit unter Experten.

Askforce Nr. 170
4. Mai 2004