Im Zürcher Stadtparlament sitzt mit Martin Bürki seit kurzem ein gebürtiger Berner an der Spitze. «Die Tatsache, dass ein Berner nun oberster Zürcher ist, zeigt, wie weltoffen Zürich ist»: Das sagte Bürki in einem «Bund»-Interview. Diese Aussage wiederum hat unseren Leser Bernhard Zürcher auf den Plan gerufen. Er habe sich über diesen Satz köstlich amüsiert, schreibt er und fragt dies: «Was denken Sie, ist es ein Zeichen von Weltoffenheit, wenn Zürich als obersten Zürcher einen Berner akzeptiert?»

Eher nicht, meinen wir. Das heisst aber nicht, dass Zürich nicht weltoffen wäre. Die Person, die das Parlament präsidiert, ist bloss nicht dazu geeignet, als Indikator für die Weltoffenheit einer Stadt zu dienen. Zumindest heutzutage nicht mehr. Martin Bürki sagt im Interview ja selber, nur ein Drittel der Ratsmitglieder rede noch Zürichdeutsch. Der Umkehrschluss ist der: Richtige Zürcher kommen nur noch jedes dritte Jahr an die Reihe – die übrige Zeit sind es Scheinzürcher.

Scheinzürcher? Ein Scheinzürcher ist das Gleiche wie ein Scheinberner, nur in Zürich. Generell sind es Leute, die von ausserhalb eines Gemeinwesens kommen und sich dort legal niederlassen. Weil Zürich boomt, wächst auch die Zahl der Scheinzürcher. Das lässt einen zweiten Umkehrschluss zu: Proportional gibt es viel weniger Scheinsimmentaler als Scheinzürcher.

Etwas unübersichtlich wird die Sache, weil Familiennamen schon seit längerem nicht mehr zuverlässig Auskunft geben über die Herkunft einer Person. Der erste Grossratspräsident im Kanton Bern hiess Franz Bigler, und er kam – richtig: aus Biglen. Wenn aber heute einer Zürcher heisst, wie Sie, Herr Zürcher, kann er in Bern leben oder irgendwo. Und wenn er nach Zürich zieht, haben wir plötzlich einen Scheinzürcher, der Zürcher heisst.

Die Sache mit den Scheinzürchern und Scheinbernern darf aber nicht unterschätzt werden. Nehmen wir Andreas Glarner, den Nationalrat. Der kam zwar zu Recht in Glarus auf die Welt; bekannt geworden ist er aber wegen seiner Politik, die er als Gemeindepräsident von Oberwil-Lieli betrieb. Wo ist das Problem, fragen Sie sich jetzt vielleicht, Herr Zürcher. Nun: Fragen Sie die richtigen Glarner! Die müssen nun damit leben, dass ein Scheinaargauer namens Glarner die Welt glauben lässt, Glarner seien weltabgewandt und retro.

Dabei gibt es kaum einen Schweizer, der je weiter über den Rand der Welt hinaus gedacht hat, als Fritz Zwicky, der weltberühmte Astrophysiker aus dem Kanton Glarus. Als Kosmologe hat er Weltoffenheit geradezu verkörpert. Wobei: Ganz stimmt die Geschichte so auch nicht. Zwicky war nämlich ein Scheinglarner – geboren worden war er in Varna, Bulgarien.

Askforce Nr. 858
18. Juni 2018