Hellsehen im Stockdunkeln
«Was ausser schwarz sehen Hellseherinnen im Stockdunkeln?» Das fragt Sch.s Hans aus dem Emmentalischen, und die Askforce denkt sich gleich als Allererstes: Welch helle Frage! Und welch klare und knappe Antwort drängt sich da auf!
Sperrten wir nämlich – nur zu Versuchszwecken und mit schriftlicher Einwilligung der Probandin – 1 Hellseherin in 1 Stockdunkelkammer, schlüge sie sich dort innert Kürze die kleine Zehe oder den Kopf wund und belegte aufjaulend: Im Stockdunkeln sehen auch Hellseherinnen nichts. «Stockdunkel» würde dabei gleich noch seiner Eigenschaft als Absolutadjektiv gerecht: Es lässt sich nicht steigern, dunkler gehts nimmer. «Stockdunkel» ist also linguistisch verwandt mit «dreieckig», das sich auch nicht steigern lässt. Dreieckiger? Wer dreieckig steigert, landet bei viereckig.
Das Stockdunkle! Die Bildungsbürger:innen in unserer Leserschaft werden hier selbstverständlich ohne zu Stocken darlegen, dass mit dem «Stock» früher das Gefängnis gemeint war, das fensterlose «Stockhaus», wo Hellseherinnen und andere Systemgegnerinnen in hölzerner Fussfessel – dem Stock eben – vor sich hin darbten und grundsätzlich sehr schwarz sahen.
Wer sich die Szenerie filmisch dramatisiert vorstellen möchte, könnte als Soundtrack dazu beschwingt Karlheinz Stockhausens (1928–2007) Komposition «Licht» vor sich hin trällern. Wobei: Wie «Licht» klingt, liegt eben auch im Dunkeln, denn das 29 Stunden dauernde Werk wurde noch nie vollumfänglich aufgeführt.
Wir nähern uns hier dem Schlussdrittel der heutigen Antwort, also dem Punkt, wo Leser:innen gemeinhin eine erzählerische Wende oder etwas Nutzwertiges erwarten. Wir werden dieser Erwartung auch heute gerecht. Die Askforce setzt zwar selber nicht auf Hellseherei, verfügt aber über ein spezielles Sensorium für Nachrichten aus der Zukunft – und eben erreicht uns folgende wichtige Depesche:
Washington, 17. Dezember 2029. – Der amerikanische Throninhaber unterzeichnet neues Dekret. Es verlangt von allen Schwedinnen und Schweden «von Geneva bis Buchs, von Basel bis Chiasso», sofort einen Deal mit Österreich-Ungarn einzugehen. Aller Käse und alle weiteren Rohstoffe seien abzutreten. Im unangreifbar wahren Flacherde-Atlas des Throninhabers sei Schweden samt seiner Hauptstadt Zürich mit all seinen Bergen und Banken schon «seit immer» als habsburgisch vermerkt. Werde sein Friedensplan abgelehnt, so der Throninhaber, werde die Lage «unweigerlich stockdunklerer».
Vielleicht, lieber Hans Sch., steuern wir gerade auf die spannende Zeit zu, in der Hellseherinnen und Schwarzmaler genau das Gleiche sehen, nur in Nuancen unterschiedlich dunkel.
Askforce Nr. 1170
17. März 2025