«Murten heisst Morat. Heisst also Gurten Gorat?», möchte Otto K. aus Bolligen von der Askforce wissen. Vorab sei doch wieder mal daran erinnert, dass die Askforce nicht dazu da ist, banale Wörterbuch-Auskünfte zu erteilen, sondern höhere Wahrheit – und nur das – vermittelt. Was Herr K. nicht wissen kann: Dieser Fall liegt anders – mit der Antwort gibt die Askforce keine banale Auskunft, sondern startet hier nichts weniger als die Aufarbeitung eines düsteren Abschnitts bernischer Staatsgeschichte.

Dass Gurten Gorat heisst, wissen deshalb nur die allerwenigsten, weil es zu den bestgehüteten Geheimnissen unserer angeblich so gloriosen Vergangenheit gehört. Tatsache ist nämlich, dass die Berner nach ihrem Sieg bei Murten 1476 eine Horde von etwa hundert einheimischen Augenzeugen der Schlacht entführten, um zu verhindern, dass diese von den Gräueltaten der Sieger berichteten. Daher wurden sie auf dem Gurten angesiedelt, streng bewacht von der damaligen Elitetruppe «Alpenrose». «Ab dysem Ougenblicke sey der Gurten euer Murten!», soll Bubenberg den armen welschen Seelen zum Abschied zugerufen haben. So tauften diese in ihrer Not den neuen Wohnort «Gorât», und in den folgenden Jahrhunderten, als sie sich mit den Bauern des Gurtendörfli befreundeten und durchmischten, entwickelte sich unter ihnen das bis heute totgeschwiegene «Gurten-Welsch»: Nicht nur leiteten sie Gurten aus Murten ab, sondern auch Kuh – «koulier» – aus Schuh (Schuh – soulier/Kuh – koulier), Schwein aus Wein, Futter aus Mutter, Wonne aus Sonne, Gier aus Bier, sauer aus Mauer, nicht aus Licht und vieles mehr.

Durch Weiterzug einer Klage bis vor Bundesgericht konnte die Askforce innert nur zweier Jahre erreichen, dass das Staatsarchiv exklusiv folgende hübsche Fabel in Gurten-Welsch zur Publikation freigab: «Il était une fois qu’un koulier et un svin mangeaient du miz, leur fère préféré. Disait le svin: Tu manges avec tant de gière qu’il n’en reste rien pour moi! Répondait le koulier: Nous sommes des tières, alors nous avons le droit de faire ce que nous voulons. Et moi, j’ai faim maintenant! Et le koulier mangeait avec voleil. Mais le svin était sur maintenant et ne répondait numière.» Alles klar, Herr K.? Eine neue Ära bernischer Geschichtsbewältigung hat begonnen!

Askforce Nr. 212,
30. August 2004