Sex auf dem Küchentisch: Ist das bei Liebenden im Alter von über 45 Jahren ein Risiko? So etwa müsste die Frage lauten, damit hier alle wirklich weiterlesen. Dabei ist es eine völlig idiotische Frage: Es kommt einfach darauf an, ob vorgängig das Geschirr abgeräumt wurde. Aber da Sie sich schon durch 12 Zeilen des vorliegenden Textes gekämpft haben, schieben wir jetzt auch noch die ernsthafte und nüchterne Frage von Urs G. nach. Er stellt besorgt fest, das Bankgeheimnis sei ja so gut wie tot. Und er fragt sich, ob der Finanzplatz Schweiz ohne dieses Geheimnis überleben wird.

Wir wissen nicht, worüber genau sich Urs G. sorgt. Aber auf jeden Fall können wir ihm mit Trost zur Seite stehen: Das Bankgeheimnis lebt! Wie es sich für ein echtes Geheimnis gehört, ist es lediglich einer geheimnisvollen Metamorphose unterworfen. Und wir sind die blinden und tauben Zeugen dieses metaphysischen Vorganges.

Sehen wir ein aktuelles Beispiel einmal genauer an. Verschiedene Mitarbeiter verschiedener Schweizer Banken haben nachweislich und wissentlich ausländisches Recht gebrochen. Jetzt, beim Versuch, die Sache ins Reine zu bringen, pochen alle politischen Parteien auf den «Mitarbeiterschutz».

Das neue Bankgeheimnis ist, dass sich niemand darüber wundert. Dabei heisst doch «Mitarbeiterschutz» zu Ende gedacht: Nicht der gesetzesbrechende Mitarbeiter – oder CEO – hat die Gesetze gebrochen, sondern ein unfassbar Grosses, Abstraktes, das über ihm steht. Also vielleicht die Bank. Oder noch besser: das Geld, der Mammon. Oder die Gier. Vergehen wird entpersonifiziert. Wir meinen: irgendwie geheimnisvoll.

Sie, werter Herr G., können gerne bei Ihrer nächsten Geschwindigkeitsübertretung analog argumentieren und auf «Fahrerschutz» pochen: Sie seien zwar zu schnell unterwegs gewesen. Aber genau genommen seien Sie eben nur ein abhängiges Subjekt in der Mechanik der beschleunigten Mobilität. Zu bestrafen sei also entweder das Auto, der Automobilhersteller – oder die ungünstig verlaufende Zeitachse.

Man wird Sie auslachen. Und Sie werden nicht herausfinden, warum ein Prinzip, das bei Vergehen in der Welt des Geldes opportun ist, auf Ihre eigenen Fehler und Ausrutscher nicht übertragbar ist. Was mehr kann man von einem Geheimnis erwarten?

Askforce Nr. 616,
8. Juli 2013