Komplexer Fragenkomplex von Ruth von G. aus Bern: Als sie einen Artikel über den Dichter und Steinesammler Eugen Gomringer gelesen habe, schreibt sie uns, seien Fragen aufgetaucht: «Was soll das?» «Warum ist ausgerechnet seine Sammlung so interessant bzw. interessanter als meine Muschelsammlung?» «Und überhaupt: Durfte er das?» Reisenden sei es doch oft verboten, Steine aus einem fremden Land mitzunehmen. «Und wenn wir das alle tun würden? Gäbe es nicht irgendwann einen Berg Steine, wo diese gar nicht auf natürliche Art und Weise vorkommen?»

Sie haben recht, Frau von G.: Es ist nicht überall erlaubt, Steine mitzunehmen. Wir erinnern uns gern an den Walliser Polizeikommandanten Christian Varone.
Er war 2012 in der Türkei festgenommen worden, weil er offenbar ein antikes Säulen­fragment im Gepäck hatte. Vermutlich hätte auch Dichter Gomringer nicht immer alles gedurft: In seiner Sammlung befindet sich ein Bruchstück eines dorischen Tempels. 

Interessant finden wir die Tatsache, dass einer der potentesten und coolsten Steinesammler, den die Schweiz je kannte, ebenfalls ein Walliser war: der Rhone­gletscher. Er hat Unmengen von Steinen auf die Nordseite der Alpen verschleppt. So etwa die Grosse Fluh, den Superfindling in der Nähe von Herzogenbuchsee.

Das erste Learning, Frau von G.: Wenn das Steinesammeln von allen praktiziert wird, so wie in den Eiszeiten von den Gletschern, entstehen tatsächlich Berge von Steinen an Orten, wo diese gar nicht auf natürliche Art vorkommen. 

Das zweite Learning: Wer Steine aufliest und sie andernorts ablegt, schafft nicht Ordnung, sondern Unordnung. Wir raten Ihnen deshalb davon ab, Frau von G., jetzt auch noch mit Steinesammeln anzufangen. Für die Archäologinnen und Archäologen, die in 3000 Jahren Ihr Haus ausgraben, werden Ihre Muscheln schon rätselhaft genug sein. 

Falls Sie es doch nicht lassen können, was wir vermuten: Gehen Sie zumindest umgekehrt vor. Unser Vorschlag: Holen Sie sich in einer Kiesgrube in der Region Raum ein paar schöne Walliser Gneise und nehmen Sie sie das nächste Mal an die Südrampe mit, um sie an besonders schönen Plätzchen auszuwildern. 

Sollten Sie dabei von einem Tschugger beobachtet werden, greifen Sie nicht sogleich zum Pfefferspray. Bleiben Sie freundlich, sprechen Sie mit ruhiger Stimme von einer Rückführaktion und verweisen Sie ihn an seinen Kommandanten – der sei mit der Thematik vertraut.

Askforce Nr. 1075
29. Mai 2023